nd-aktuell.de / 21.04.2012 / Politik / Seite 4

Halbherzig

Ottmar Schreiner tritt nicht mehr als Chef der SPD-Arbeitnehmer an

Aert van Riel

Kaum ein Sozialdemokrat hat in den vergangenen Jahren so schonungslos mit der Agenda 2010 abgerechnet wie Ottmar Schreiner. Viele halten den Bundestagsabgeordneten deswegen für einen der letzten ernstzunehmenden linken SPD-Sozialpolitiker. Nun könnte sich sein baldiger Abschied aus der aktiven Politik anbahnen. Nach zwölf Jahren zieht sich Schreiner als Chef der gewerkschaftsnahen SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen zurück, die immerhin rund 100 000 Mitglieder zählt. An diesem Wochenende wird voraussichtlich Klaus Barthel als sein Nachfolger gewählt. Vor einiger Zeit unterzog sich Schreiner einer schwierigen Operation. Ob der 66-Jährige im nächsten Jahr wieder für den Bundestag kandidieren wird, ist fraglich.

Seit dem Rücktritt seines Förderers Oskar Lafontaine als Parteivorsitzender und Finanzminister im Jahr 1999, dem er bis heute freundschaftlich verbunden ist, hat Schreiner einen schweren Stand bei den Sozialdemokraten. 1998 wurde der Saarländer auf Lafontaines Vorschlag Bundesgeschäftsführer der SPD, aber bereits wenige Monate später von Bundeskanzler Gerhard Schröder wieder entmachtet. Den Hartz-Reformen, die Schreiner immer wieder leidenschaftlich kritisiert, weil sie Erwerbslosen und prekär Beschäftigten kein Leben in Würde ermöglichen, hat er sich eher halbherzig widersetzt. So erkaufte sich die Parteiführung seine Zustimmung zu Hartz III und IV mit ein paar kleinen Änderungen der Gesetze. Trotz aller Demütigungen und Meinungsverschiedenheiten hielt der Jurist der SPD die Treue.

Ein Wechsel zur Linkspartei, über den gelegentlich spekuliert wurde, wäre wohl auch wegen Schreiners Haltung zur deutschen Außenpolitik nicht möglich gewesen. So lobte der Reserveoffizier im Sommer 2011 angesichts der drohenden Schließung von Bundeswehrstandorten im Saarland die deutsche Beteiligung am NATO-Krieg in Afghanistan mit den Worten: »Die Soldaten der Saarlandbrigade bringen bei ihrem Afghanistan-Einsatz täglich unter Gefährdung ihres Lebens Höchstleistung für die Friedenssicherung und den Aufbau der Zivilgesellschaft.«