Alle Kinder lernen gemeinsam

Bildungsministerin Martina Münch startet Pilotprojekt »Inklusive Schule« für 84 Grundschulen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Freitag begann das Pilotprojekt »inklusive Schule«. Es beteiligen sich 84 Grundschulen, von denen elf Privatschulen sind. Bildungsministerin Martina Münch (SPD) hob hervor, es gehe darum, die Kinder, die bislang an Förderschulen lernen, weitgehend gemeinsam mit allen anderen Schülern zu unterrichten. Ab dem Schuljahr 2015/16 soll die Inklusion flächendeckend für alle 450 brandenburgischen Grundschulen gelten, wobei Kinder mit speziellem Förderbedarf in Sprache, Körper oder Verhalten diese Förderung bekommen werden. Für das laufende Jahr stehen fünf Millionen, später 8,2 Millionen Euro bereit, um 100 zusätzlichen Lehrern die Weiterbildung und zudem die wissenschaftliche Begleitung des Pilotprojekts zu finanzieren. Die Schulen sollen in die Lage versetzt werden, künftig alle Schüler aufzunehmen und sie bestmöglich zu fördern - auch Behinderte.

Bei dem Projekt sind 3,5 Stunden pro Woche für die Förderung derjenigen fünf Prozent der Kinder eingeräumt, die auf eine solche Betreuung angewiesen sind. Ab 2021/22 müssten rund 800 zusätzliche Lehrer eingestellt werden, die sonderpädagogische Fähigkeiten besitzen. Solche Lehrer werden demnächst »wie Goldstaub« gesucht, weil sie überall in Deutschland gebraucht werden, weiß die Bildungsministerin.

Wer an seine Schulzeit zurückdenke und vor Augen habe, dass 30 Mitschüler das gleiche Heft aufgeschlagen haben, der sollte wissen, dass die Schule heute so schon lange nicht mehr sei, erklärte Münch. »Es ist normal, verschieden zu sein.«

Schulleiterin Petra Kreusch aus Frankfurt (Oder) schilderte, wie in ihrer Bildungsstätte bereits seit 1991 behinderte Kinder in gewöhnlichen Klassen unterrichtet und seit 2008 auch sprach- und verhaltensgestörte Kinder gezielt einbezogen werden. Wochenpläne, Einzelfallbetreuung und auch therapeutische Betreuung seien schon lange Alltag. Vorbehalte gegen die Weiterentwicklung zur inklusiven Schule habe es weniger bei den Eltern, mehr bei den Lehrern gegeben, sagte Kreusch. Doch die Aussicht, von Klassenstärken bis zu 28 Schülern auf 23 bis 25 zu sinken, habe diese Vorbehalte ausgeräumt. Schließlich habe die Schulkonferenz einstimmig dem Plan zugestimmt, den Weg zur inklusiven Schule einzuschlagen. Natürlich setze ein Erfolg der inklusiven Schule die entsprechende Ausstattung voraus.

Die Ministerin sprach von einer »deutlichen Besserstellung« der beteiligten Schulen. Als Kampfansage an die Förderschulen sei die neue Strategie nicht zu verstehen. Aber das Prinzip, »auffällige« Kinder in Förderschulen zusammenzufassen, habe nicht verhindert, das 80 bis 90 Prozent von ihnen die Berufsbildungsreife nicht erlangten. Der Prozentsatz werde mit der inklusiven Schule sinken.

Was die heute bestehenden 56 Förderschulen betreffe, so werde es »keine Schließung auf einen Schlag« geben, sicherte Münch zu. Vielmehr werde es in drei Jahren dort keine Einschulung mehr geben. Für die Schulen werde »eine Lösung gefunden«.

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