Kuhhandel ums Betreuungsgeld

Opposition droht mit Verfassungsklage / Kauder will Rentenzahlungen neu regeln

Der Streit um das Betreuungsgeld geht in die nächste Runde. SPD und Grüne wollen vor dem Verfassungsgericht klagen. Unionsfraktionschef Kauder bringt Neuregelungen der Rentenzahlungen ins Spiel.
Der koalitionsinterne Zwist um das Betreuungsgeld wird der CDU offenbar langsam zu heikel. Unionsfraktionschef Volker Kauder rudert nun entgegen seiner Basta-Appelle vom Freitag zurück und will so den Kritikern in den eigenen Reihen entgegenkommen. Zusätzlich zum Betreuungsgeld sollen nun Leistungen der Rentenversicherung für Eltern, deren Kinder vor dem Jahr 1992 geboren wurden, neu geregelt werden. Bisher gelten in der Rentenversicherung unterschiedliche »Entgeltpunkte« für die Kindererziehung. Väter und Mütter älterer Kinder erhalten momentan nur einen Punkt, Eltern jüngerer Kinder hingegen drei. Umgerechnet würde eine derartige Angleichung monatlich rund 50 Euro mehr Rente bedeuten. Die CDU hatte entsprechende Änderungen bereits auf ihrem Bundesparteitag 2003 beschlossen, sie waren aber bisher nicht durchgesetzt worden.

Bei der CSU stieß Kauder mit seinem Vorstoß auf Zuspruch. »Beides ist richtig und notwendig: Die Unterstützung für die Familien heute und die bessere Absicherung im Rentenalter«, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass beide Vorhaben auch unabhängig voneinander verhandelbar sein müssten.

Widerspruch aus den Reihen der Koalition ließ hingegen nicht lange auf sich warten. Vize-Regierungssprecher Georg Streiter zeigte sich gegenüber Kauders Vorschlag zurückhaltend: »Da ist gar nichts entschieden, darüber wird noch gesprochen.« Eine Sprecherin von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, eine konkrete Ausgestaltung des Vorschlags sei erst möglich, wenn die Finanzierung gesichert sei. Schätzungen zufolge könnte die Aufstockung den Bundeshaushalt mit jährlich drei Milliarden Euro belasten. Auch bei den Liberalen traf die Initiative auf wenig Gegenliebe. Im Koalitionsvertrag sei die stufenweise Einführung und Auszahlung des Betreuungsgelds vereinbart - aber »keine Eingriffe in die Rentenstruktur«, betonte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Obwohl das Betreuungsgeld innerparteilich auf Ablehnung stößt, zeigt sich die FDP vasallentreu. »Wir brechen Verträge nicht«, erklärte Brüderle gestern im ARD Morgenmagazin, wenn man Koalitionen schließt, müsse man Kompromisse machen.

In der Opposition, die das Projekt »Fernhalteprämie« durchweg ablehnt, fährt man nun härtere Geschütze auf. Nachdem am Wochenende bereits die SPD mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht hatte, erwägen nun auch die Grünen rechtliche Schritte gegen die Zahlung. »Sollte die Koalition die unsinnige Herdprämie beschließen, werden wir eine Organ- oder Normenkontrollklage prüfen«, erklärte Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion gegenüber dem »Handelsblatt«. Eine solche Normenkontrollklage könnten SPD und Grüne im Bundestag nur gemeinsam auf den Weg bringen, da nur so das nötige Viertel der Abgeordneten zusammenkäme. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte bereits davor, dass Gegner des Betreuungsgeldes das Gericht bemühen werden, um zu klären, ob die Grundsätze der Gleichbehandlung gewahrt sind. Angesichts der Zweifel, ob das Gesetz zum Betreuungsgeld vor dem Verfassungsgericht überhaupt Bestand hat, zeigte sich Familienministerin Kristina Schröder (CDU) überrascht. Sie verwies auf die Prüfung des Konzepts durch das Justiz- und das Innenministerium. »Die bekommen den Entwurf, bevor er zum Gesetz wird. Und die beurteilen dann die Verfassungsmäßigkeit«, sagte Schröder. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei »sehr erstaunt«, dass SPD und Grüne die Rechtmäßigkeit anzweifeln, bevor das Gesetz überhaupt vorliege, ließ sie gestern über Vize-Regierungssprecher Streiter verlauten.

Schröder will unterdessen ganz auf Nummer sicher gehen und plädiert dafür, eine interne Arbeitsgruppe der Koalition mit der Erarbeitung des Entwurfs zu betrauen. Die solle beispielsweise aus Spitzenleuten der Fraktionen von CDU, CSU und FDP bestehen.

Die SPD-Führung macht derweil weiter gegen das Betreuungsgeld mobil. Parteichef Sigmar Gabriel präsentierte gestern eine bundesweite Postkartenaktion. Außerdem soll auf der SPD-Homepage demnächst eine Onlinekampagne starten, bei der etwa Prominente wie die »Super Nanny« Katja Saalfrank Gastbeiträge verfassen.

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