nd-aktuell.de / 26.04.2012 / Politik / Seite 6

Extremismusklausel gekippt

Verein aus Pirna siegt vor Gericht mit einer Klage gegen den Bekenntniszwang

Hendrik Lasch, Dresden
Das Bundesfamilienministerium verlangt von Demokratievereinen ein Bekenntnis, bevor Fördergelder gezahlt werden. Zu Unrecht, wie ein Gericht in Dresden am Mittwoch urteilte.

600 Euro Fördergelder hatte das Alternative Kultur- und Bildungszentrum (Akubiz) beim Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge beantragt, um mit einem Flyer an das vergessene Außenlager des KZ Flossenbürg in Königstein erinnern zu können. Das Geld wurde bewilligt – unter der Voraussetzung, dass der Verein zuvor die sogenannte Demokratieerklärung, weithin als Extremismusklausel bezeichnet, signierte. Der Verein lehnte ab – und erhielt kein Geld.

Zu Unrecht, urteilte gestern das Verwaltungsgericht Dresden. Dass die Förderung mit Verweis auf die nicht geleistete Unterschrift verweigert wurde, sei »rechtswidrig« – weil es erhebliche Einwände gegen die Klausel gibt. Diese sei zumindest in Teilen »nicht ausreichend bestimmt«, hieß es in der kurzen mündlichen Begründung.

Schon diese kann als Ohrfeige für das von CDU-Frau Kristina Schröder geführte Bundesfamilienministerium angesehen werden. Es ist der eigentliche Kontrahent des Demokratievereins in dem juristischen Streit. Das Ministerium bindet die Vergabe von Fördermitteln seit einiger Zeit an ein Bekenntnis zur Demokratie und zum Grundgesetz – und verpflichtet die Empfänger, sich auch für alle ihre Partner zu verbürgen. So solle, wie es in der Klausel heißt, verhindert werden, dass der »Unterstützung extremistischer Strukturen Vorschub geleistet« wird.

Das Geld, welches der Pirnaer Verein beantragt hatte, sollte aus einem größeren Topf fließen, den der Landkreis vom Bundesministerium erhalten hatte. Damit sei die »Auflage« verbunden, Empfängern die Unterschrift abzuverlangen, sagt Jana Mocker-Leikauf, Juristin des Landkreises. Sie fügte hinzu, man befinde sich damit in einer »unglücklichen Position«.

Der Verein verweigerte die Unterschrift aus mehreren Gründen. Er sieht zum einen einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes, sagte Anwalt Robert Uhlemann. Niemand dürfe wegen seiner politischen Ansichten benachteiligt werden: »Nichts anderes macht aber die Klausel.« Zudem sei unklar, in welcher Form die »Gesinnungsüberprüfung« der Partner praktisch erfolgen solle. Schließlich würde mit vielen ungenügend konkreten Begriffen gearbeitet. Daran änderten auch die »Hinweise für Demokratie« nichts, die inzwischen als eine Art Hilfestellung für die Antragsteller ausgereicht werden.

Über die Extremismusklausel und den Umgang damit wird seit Monaten gestritten. Gutachter wie der Jurist Ulrich Battis nennen die Klausel »verfassungsrechtlich bedenklich«. Timo Reinfrank von der Berliner Amadeo-Antonio-Stiftung nennt sie das »Resultat einer verfehlten Politik gegen Rechts«. Sie bewirke ein »permanentes Misstrauen« und halte von der eigentlichen Arbeit ab: »Wir würden uns sehr gern mit anderen Dingen beschäftigen.« Negative Auswirkungen auf die Arbeit von Demokratieprojekten seien bereits zu beobachten. So hätten Ehrenamtliche ihre Arbeit beendet. Ausdruck der Verunsicherung sei, dass Besucher von Veranstaltungen sich teilweise per Unterschrift zur Demokratie bekennen müssten. Das schreckte Bürger ab, sagt Reinfrank. Er räumt zugleich ein, dass viele Vereine sich zur Unterschrift entschlossen hätten, um ihre Arbeit nicht zu gefährden.

Die Klausel wird vor allem vom Bundesfamilienministerium verlangt; auch Programme des Innenministeriums enthalten diese Verpflichtung. Zudem hat Sachsen eine leicht veränderte Formulierung eingeführt. Andere Bundesministerium forderten kein solches Bekenntnis, sagte Reinfrank: »Das ist kein Projekt der Bundesregierung, sondern eines von Frau Schröder.«

Endgültig dürfte dieses wohl noch nicht gekippt sei. Das Gericht ließ die Berufung zu. Ob der Landkreis die Möglichkeit nutzt, soll erst mit Vorliegen der schriftlichen Begründung entschieden werden. Das Akubiz ist laut Uhlemann gewillt, den Streit notfalls »bis in die letzte Instanz« zu führen.