Selbsttäuschung

Kommentar von Jürgen Reents

  • Lesedauer: 2 Min.

In Schleswig-Holstein den Wiedereinzug in den Landtag klar verfehlt, in Thüringen erfolgreich bei den kommunalen Stichwahlen in Landrats- und Bürgermeisterämter eingezogen: Reduziert sich die LINKE nun doch auf eine Ostpartei? Kein Zweifel, die Zeichen für die NRW-Wahl am nächsten Sonntag stehen für die Linkspartei arg ungünstig, sie muss einen zweiten Rückschlag fürchten. Aber die unterschiedlichen Trends des vergangenen Wochenendes sind zuallererst einem unterschiedlichen politischen Umgang vor Ort geschuldet. In Thüringen stimmte das Gemisch aus konkreter Interessenvertretung (Politik für den Alltag), zukunftsweisender Phantasie (z. B. der Masterplan für eine Energiewende) und einem überzeugenden Personalangebot. In Schleswig-Holstein fehlte nicht nur von allem manches, mit der plakativen Stigmatisierung der Piratenpartei als Nazis zeigte die dortige LINKE in ihrem Wahlkampf zudem eine grobe Unfähigkeit zu kluger Auseinandersetzung.

Den zentralen Grund für die Niederlage in Schleswig-Holstein hat der Vorsitzende der LINKEN indes woanders ausgemacht: »Wir haben uns viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt«, meint Klaus Ernst. Ähnliches schrieb er kürzlich auch auf seiner Internet-Seite: Die LINKE habe mit ihren »permanenten Personaldebatten« den Aufstieg der Piratenpartei befördert. Das ist, bezogen auf die Piraten, eine eitel oberflächliche Sicht, und bezogen auf die eigene Partei eine ritualisierte Selbsttäuschung. Abgesehen von der einen lauen Äußerung hier und der anderen zarten Klage dort, führt die LINKE überhaupt keine Personaldebatte, jedenfalls keine öffentlich vernehmbare. Seit einem halben Jahr deckelt die Parteiführung diese, ruft ihre Warnung dennoch heftig wiederholend in den leeren Raum. Dabei hätte der erfolgreiche Programmparteitag der LINKEN im Oktober in Erfurt der ideale Ausgangspunkt sein können, um unmittelbar danach die intern wie extern wahrnehmbaren Mängel an ihrer Spitze offensiv (und solidarisch) zu beheben. Und damit auch Gegenwind in die längst als bedrohlich erkennbare Lage der Partei im Westen zu fächern. Das Problem ist weniger, dass die LINKE sich übermäßig mit sich selbst beschäftigt, sondern dass sie es ohne Vernunft und Zielstrebigkeit tut. Statt ihre wunden Stellen zu kurieren, hat die Partei sich bundespolitisch schon viel zu lange selbst gelähmt.

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