nd-aktuell.de / 08.05.2012 / Kultur / Seite 4

Kämpfer

Klaus Staeck in Berlin erneut als Präsident der Akademie der Künste gewählt

Hans-Dieter Schütt

Zum Beispiel:Dürers Mutter, dazu die Aufschrift »Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?« Oder die Manager der bundesdeutschen Rüstungsindustrie, zum Foto der Text: »Alle reden vom Frieden. Wir nicht.« Klaus Staeck hat deutsche Plakatgeschichte geschrieben. Und auch als Akademiepräsident, also in kulturpolitischer Aktion, ist er von protestantischer Sinnsüchtigkeit, von kämpferischer Direktheit. Hat Lerngier, die aus kleinbürgerlichen Wurzeln keimte.

1938 wurde Staeck in Pulsnitz geboren, er wächst in Bitterfeld auf. Bitterfeld. Das war dort, wo die Menschen, in Ruß und Staub, prononciert weiße Hemden trugen, und wo die Meinungsfreiheit größer war als anderswo: »Da in dem Dreck konnte der Staat niemandem mehr drohen, es war ja schon die Endstation.«

Ein früher Abgang in den Westen, Jurastudium in Heidelberg, Rechtsanwalt (»für kleine Fälle«). Für Staeck ist Jura das Studium, das ihm lang genug zu dauern scheint, um nebenher den Durchbruch als Künstler zu schaffen. Die

Traditionslinie ist mit John Heartfield benannt. Staeck arbeitet mit Denk-Bildern gegen den Vormarsch der Bilder, die uns abstumpfen. Plakat, Postkarte, Aufkleber, Flugblatt: Massenkunst mit Millionenauflage. Collagentechnik, die vom dialektischen Widerspruch lebt, vom Konflikt zwischen Bild und Text. Fast 50 juristische Einsprüche gegen Plakate oder Postkarten. Das wiegt als Qualitätssiegel mehr als mancher Kunstpreis.

Seiner Gabe zur Satire kam die Realität mit augenzwinkernder Fügung entgegen: Sie setzte den SPD-Eintritt und den Beitritt zur Krankenkasse 1960 auf ein gemeinsames scherzhaftes Datum - den 1. April. Zwei Mitgliedschaften, die eines vereint: »keine Rückversicherung«. Philosoph Immanuel Kant meinte, die beste Verfassung sei jene, die noch eine Gesellschaft von Teufeln zwänge, einander Gutes zu tun. Klaus Staeck attackiert eine gesellschaftliche Entwicklung, die womöglich eines Tages bei Spielregeln enden könnte, die sogar eine Gesellschaft von Engeln zwänge, einander Ungutes zu tun.