Spötter behielten nicht Recht

40 Jahre nach dem Report »Die Grenzen des Wachstums« zeigen sich diese deutlich

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor 40 Jahren wurde beim 3. St. Gallener Symposium die Studie »Grenzen des Wachstums« vorgestellt. Auftraggeber war der Club of Rome. Nach dem Ende der ersten Ölkrise fanden die Thesen des Reports allerdings lange kaum noch Beachtung.
Donella und Dennis L. Meadows, damals beim Forrester-Institut für Systemdynamik beschäftigt, versuchten mit Hilfe der damals verfügbaren, ziemlich unzureichenden Computer, die globalen Trends der Industrialisierung, des Bevölkerungswachstums, der Nahrungsmittelproduktion sowie des Verbrauchs an Rohstoffen und natürlichen Lebensräumen in die Zukunft zu projizieren. Dabei wurden verschiedene Szenarien für die Entwicklung der Produktivität, der Effizienz und der Bevölkerungsentwicklung getrennt durchgerechnet.

Das Ergebnis des Berichts von 1972 war außergewöhnlich pessimistisch: Wenn alles so weiterlaufe wie bis dahin, so würden in etwa 100 Jahren - also 2072 - die natürlichen Wachstumsgrenzen der Erde erreicht sein. Die erste Ölkrise im 1973 schien die dramatische Vorhersage zu bestätigen. Doch der gestiegene Ölpreis sorgte für die Entwicklung sparsamerer Technologien und löste Investitionen zur Erschließung neuer Ölquellen aus. Der Ölpreis ging zurück und die Spötter fielen über die Wachstumskritiker her.

40 Jahre später zeigt sich ein für die Spötter von damals überraschendes Phänomen: Obwohl der Ölpreis in astronomische Höhen stieg, und sogar früher unrentable Teersande und Quellen in der Tiefsee erschlossen werden, hält das Wachstum der Ölproduktion nicht mehr Schritt mit dem Verbrauch. Und ausgerechnet jene Rohstoffe, die für energieeffizientere Maschinen und Fahrzeuge benötigt werden, verknappen sich ebenfalls rasant.

Der am Montag in Rotterdam vorgestellte Report greift in seinem zeitlichen Rahmen nicht so weit wie sein Vorgänger vor 40 Jahren. Der unter Leitung des Norwegers Jorgen Randers erarbeitete Wachstumsreport bescheidet sich mit dem Blick ins Jahr 2052. Die Prognosen allerdings sind kaum weniger dramatisch: Der neue Report unterstellt, was bei Umweltschützern nicht ganz unumstritten ist, für alle Umweltressourcen einen Preis. Auf dieser Grundlage kommt er zu dem Schluss, dass die Wirtschaft mit ihrem steten Wachstum oft schon jetzt keinen Gewinn mehr macht - verglichen mit dem Preis der Umweltzerstörung.

So revolutionär wie 1972 ist kaum eine Aussage der Prognose für 2052. Das meiste davon kann man in den Reports des Weltklimarats IPCC oder anderen Studien zur Umweltökonomie längst lesen. Hatte der erste Bericht an den Club of Rome nach Ansicht des Umweltforschers Ernst Ulrich von Weizsäcker noch bewirkt, dass die Umweltverschmutzung in weiten Teilen der Welt nicht mehr genau so schnell wie das Wirtschaftswachstum steigt, muss der aktuelle Report vor allem in den auf Wachstum orientierten Entwicklungs- und Schwellenländern wirken. Von Weizsäcker: »Andere sehen nur das Wachstum. Dass dies fast alles zu Lasten der Natur geht, dass die Brasilianer, ähnlich wie die Kuwaiter oder Angolaner einfach ihre Natur verkaufen oder ihre Bodenschätze, das ist dort kaum im Bewusstsein.« Weizsäcker will Klimaschutz und Artenschutz profitabel machen. Das Gerede, wir sollten den Gürtel enger schnallen, um damit das Klima zu schützen, hält er dagegen für eine politische Totgeburt.

Aus dem neuen Report

Die Weltbevölkerung wird kurz nach 2040 bei 8,1 Milliarden Menschen ihren Höchststand erreichen.

Der Produktivitätszuwachs wird geringer ausfallen als bisher, weil viele Volkswirtschaften ihr Entwicklungspotenzial ausgeschöpft haben und soziale Verteilungskämpfe und Extremwetter zunehmen werden.

Verlieren wird überraschenderweise die aktuelle globale Elite, besonders die USA (...). China wird der Gewinner sein. Alle - und besonders die Armen - leben in einer zunehmend chaotischen und klimageschädigten Welt. dpa/nd

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