Eine gefährliche Liebe

  • Eckart Roloff
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine gefährliche Liebe

»Erzähl es niemandem!« Hier geht es offenbar um ein Geheimnis, etwas sehr Vertrauliches, vielleicht ein Tabu. Schon auf den ersten Seiten des Buches ist viel von Heimlichkeiten die Rede, von einem dunklen Kapitel in der Familiengeschichte, von Kriegsjahren, von Schweigen und Scham. Die Norwegerin Lillian Crott Berthung vertraute ihrer 17-jährigen Tochter Randi bereits 1969 gegen den erklärten Willen des Vaters an, dass dessen Verwandte in KZs deportiert worden sind - aber: »Erzähl es niemandem!«

»Daran habe ich mich gehalten«, schreibt die Tochter, inzwischen Journalistin. Nun bricht sie das Schweigen. Der Vater ist 2009 gestorben. Das Buch haben Tochter und Mutter zusammen geschrieben; es beruht auf den Tagebüchern der Mutter, auf Hunderten von privaten Briefen und amtlichen Dokumenten.

Die Geschichte spielt in Norwegen 1940 bis 1945, als Hitlers Truppen das Land besetzten und durch verheerende Angriffe viele Orte und Landstriche zerstörten. Unter den Kontakten, die sich damals zwischen Wehrmachtssoldaten und Bevölkerung ergaben, ist auch der zwischen dem Obergefreiten (und promovierten Juristen) Helmut Crott und der 19-jährigen Lillian. Sie hat auf einer Handelsschule recht gut Deutsch gelernt und wird als Übersetzerin für deutsche Militärbehörden verpflichtet - im Dienst des Feindes. Gegenwehr ist undenkbar.

Im Hafenstädtchen Harstad, noch nördlicher als das umkämpfte Narvik gelegen, treffen sie sich von Ostern 1942 an zunächst ganz offen, später auch heimlich. Solche Verbindungen mögen andere nicht, auch Lillians Familie und ihr Freundeskreis sind strikt dagegen. Gleichwohl entfaltet sich eine große Liebe, wenn auch unter einer weiteren Last: Helmut verschweigt zunächst seine Abstammung, weil er weiß, dass die Wehrmachtsuniform für ihn wie ein Versteck ist. Kommt heraus, dass seine Mutter Jüdin ist, gerät er in höchste Gefahr, wird vielleicht deportiert, womöglich auch in einem KZ ermordet. Also nimmt er Lillian das Versprechen ab: »Erzähl es niemandem!«

Die Kriegszeit trennt beide für lange Zeit, doch sie schreiben sich viel. Selbst mit dem Mai 1945 beginnt noch kein gemeinsames Leben. Schließlich gelingt es Lillian, ihren Helmut in einem dänischen Kriegsgefangenenlager ausfindig zu machen. Was beide dabei und danach erleben und erleiden, gehört zu den bewegendsten Kapiteln diese Buches.

»Ohne Hitler hätte es mich nicht gegeben«, schreibt Randi Crott. Die ungewöhnliche Liebesgeschichte ihrer Eltern entlarvt den Irrsinn der Nazi-Zeit und zeigt zugleich, wie zwei Menschen, die sich vertrauen, Irrsinn und Brutalität überwinden können.

Randi Crott/Lillian Crott Berthung: Erzähl es niemandem! Die Liebesgeschichte meiner Eltern. DuMont Buchverlag, Köln 2012. 288 S., geb., 19,99 € (als E-book 7,99 €).

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