Der unbekannte Dritte

Chancen für rot-grüne Bündnisse schwinden

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Aufstieg der Piraten setzt SPD und Grüne unter Druck. Diese müssen sich im künftigen Fünf- oder Sechsparteiensystem Gedanken über neue Bündnisse machen. Doch gegen alle potenziellen Dreierkoalitionen gibt es bei Sozialdemokraten und Grünen massive Vorbehalte.

Einen Tag nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein war in der Bundeszentrale der Grünen noch nicht die Realität eingekehrt. Parteichefin Claudia Roth begrüßte die anwesenden Journalisten freudestrahlend »an diesem sonnigen Montag« und bewertete das Abschneiden ihrer Partei in Schleswig-Holstein als »großen Erfolg«. Allerdings war der Himmel grau und das Wahlergebnis von 13,2 Prozent (+ 0,8) angesichts der Umfragewerte vor einem halben Jahr um die 20 Prozent nicht gerade berauschend. Zur angestrebten gemeinsamen Mehrheit mit der SPD hat es nicht gereicht. Deswegen soll nun der Südschleswigsche Wählerbund (SSW), die Partei der dänischen Minderheit, mit ins Boot geholt werden.

Vor allem die Erfolge der Piraten, die nun in drei Landesparlamenten vertreten sind, haben dafür gesorgt, dass SPD und Grüne nicht wie gewünscht von der Schwäche der Regierungsparteien Union und FDP profitieren können. Wahrscheinlich werden sich Sozialdemokraten und Grüne künftig öfter nach einem dritten Partner umsehen müssen, um stabile Regierungen bilden zu können.

Doch wer kommt hierfür in Frage? Die Piraten haben erklärt, dass sie noch keine Regierungsbeteiligung anstreben. Mit der LINKEN wird derzeit im Bund und in den meisten Ländern eine Koalition ausgeschlossen, weil ihre sozialpolitischen Vorstellungen zu stark von Rot-Grün abweichen und sie Auslands- sowie Kriegseinsätze der Bundeswehr ablehnt. Bliebe also noch die FDP. Zumindest Parteichef Philipp Rösler hatte in den vergangenen Wochen betont, er würde eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen nicht ausschließen. Auch die Sozialdemokraten wollten sich in Schleswig-Holstein diese Option offen lassen. »Die Koalition mit der FDP ist eine rechnerische Mehrheit«, sagte gestern der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel. Im Bund hatte er diese Konstellation allerdings vor kurzem noch abgelehnt.

Noch stärker als die SPD bemühten sich die Grünen um eine klare Abgrenzung zu den Liberalen. »Die FDP ist in Schleswig-Holstein der letzte Koalitionspartner, über den wir nachdenken«, sagte Spitzenkandidat Robert Habeck. Die Partei stehe etwa bei den Themen Mindestlohn, Schulkonsens und Energiewende diametral zu den Grünen, ergänzte Claudia Roth. Sie warf den Freien Demokraten vor, eine »Politik des Eigennutzes« zu betreiben. »Wir sollten uns jetzt nicht mit Dreierbündnissen auseinandersetzen«, sagte Roth. Dabei verwies sie auf die NRW-Wahl am kommenden Wochenende, bei der es eine realistische Chance für eine rot-grüne Mehrheit gibt.

Die dortige von der CDU angefachte Debatte um eine Ampelkoalition hat vor allem wahltaktische Gründe. Die Konservativen liegen in Umfragen weit hinter der SPD zurück und wollen nun im Endspurt der FDP Wähler abspenstig machen. Zu diesem Zweck behauptete der Generalsekretär der NRW-CDU, Oliver Wittke: »Falls es für eine rot-grüne Mehrheit in Düsseldorf nicht reicht, wird FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner seine Partei zum ›Steigbügelhalter‹ für Rot-Grün machen.« Dagegen hält Lindner bei einem Scheitern von Rot-Grün eine Große Koalition für wahrscheinlich. Die CDU und ihr Spitzenkandidat Norbert Röttgen konzentrierten sich derzeit darauf, Juniorpartner der SPD zu werden, konterte Lindner. Zu einem Bündnis mit SPD und Grünen sagte er: »Wir sind nicht Reserve für Rot-Grün, sondern Alternative zu Rot-Grün.«

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