Nichts ist peinlich

Rezension

  • Elfi Schramm
  • Lesedauer: 2 Min.

Als alleinerziehende Mutter eines Sohnes und freiberufliche Dolmetscherin hatte Helga Rohra immer alles ohne fremde Hilfe gemanagt. Mit der Diagnose Demenz drohten der 50-Jährigen Gedächtnisstörungen, sinkende Leistungsfähigkeit, finanzieller Verlust und damit Existenzängste. Sie stürzte in eine tiefe Depression, aus der sie sich nur mühsam befreien konnte.

Alles begann mit Kleinigkeiten. Sie konnte sich nicht mehr so konzentrieren und nicht mehr systematisch arbeiten. Vokabeln fielen ihr nicht mehr ein. Gegenstände konnte sie nicht mehr benennen. Sie hat Lewy-Body-Demenz, eine seltene Form, bei der ausgeprägte optische Halluzinationen das Leben besonders schwer beeinträchtigen. Die Abnahme der sprachlichen Fähigkeiten hat noch nicht begonnen. Helga Rohra kann sich noch gut verständigen und beschließt, sich nicht zu verstecken. Anfangs noch unter Pseudonym, schreibt sie heute unter ihrem richtigen Namen und tritt auch öffentlich auf. Sie macht in ihrem Buch klar, welche Hürden Menschen mit Demenz in unserer Gesellschaft überwinden müssen, welchen Vorurteilen sie begegnen. Eine Umhängetasche mit den Schriftzügen vom Alzheimer-Kongress in Thessaloniki fanden Passantinnen mittleren Alters, die ihr in der Bahn gegenüber saßen, äußerst peinlich. Es ginge doch hier um Menschen, »die nichts mehr können. Die gepflegt werden müssen.« Um Aufklärung bemüht, wehrten die Damen sofort ab.

Das Verhalten der beiden Frauen machte die Autorin traurig, weil es keine Seltenheit ist. Gerade deshalb ist sie um Information bemüht, die Mut gibt. Elfi Schramm

Helga Rohra: Aus dem Schatten treten, Mabuse Verlag, pb, 133 S., 16,90 €.

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