Vertrauen in die Alphatiere

Bundestrainer Joachim Löw nominierte seinen vorläufigen Kader für die Fußball-Europameisterschaft

Bei der Nominierung des DFB-Kaders für die Fußball-EM in Polen und der Ukraine blieben Sensationen aus. Die ein oder andere Überraschung hat sich Bundestrainer Joachim Löw aber nicht nehmen lassen.

Wer von der Autobahn zum Rastatter Mercedes-Benz-Werk will, fährt erst einmal an Streuobstwiesen vorbei. Aus dem nahen Wald duftet es nach Bärlauch. Dann steht man vor einer Autofabrik. Der gewählte Rahmen für die Nominierung des vorläufigen EM-Kaders hatte also nicht viel gemein mit dem Brimborium, das noch vor vier Jahren auf der Zugspitze betrieben wurde. Sensationen, um es vorwegzunehmen, sind am Montag ausgeblieben. Bundestrainer Joachim Löw vertraut beispielsweise weiter seinen Alphatieren Miroslav Klose und Per Mertesacker, die monatelang verletzungsbedingt ausfielen.

Von den Spielern, denen er jahrelang einen Vertrauensvorschuss einräumte, fehlen hingegen der Leverkusener Simon Rolfes und Dennis Aogo vom HSV, an dessen Stelle der Dortmunder Marcel Schmelzer zum Zuge kam. Die Personalie kann durchaus als Grundsatzentscheidung interpretiert werden. Denn, wenn das DFB-Team in einem Mannschaftsteil Probleme hat, dann am ehesten in der Abwehr. Und der Dortmunder hat gegenüber dem offensivstarken Aogo das Prä, in der Defensivarbeit einen Tick solider zu sein.

Aber die ein oder andere Überraschung birgt der Kader dann doch. Stürmer Patrick Helmes, der zuletzt für den VfL Wolfsburg in elf Spielen in Folge traf, wurde zwar gelobt, an seiner Stelle darf dennoch der Stuttgarter Cacau mitfahren. Auf Nachfrage begründete der Bundestrainer das mit den unterschiedlichen Stärken der beiden Angreifer. Während Helmes eher ein klassischer Konterstürmer sei, der seine Stärken am besten entfalten könne, »wenn er etwas Platz hat«, sei Cacau »auch im Verein« in der Jokerrolle erprobt und auf engem Raum stärker. Und genau den erwartet Löw dem Vernehmen nach bei einigen EM-Spielen, in denen die Gegner versucht sein könnten, sich gegen einen der großen Turnierfavoriten hinten reinzustellen.

Auch mit der Nominierung des Dortmunders Ilkay Gündogan und des Schalkers Julian Draxler war nicht unbedingt zu rechnen. Der 18-jährige Draxler hat es Löw ob seiner Schnelligkeit und seiner Spielintelligenz angetan, er werde durch die Nominierung »noch einmal einen Schub bekommen«. Dennoch dürfte der Mittelfeldmann einer der Spieler sein, die bei der endgültigen Kadernominierung am 29. Mai zu den Streichkandidaten zählen. Insgesamt nominierte Joachim Löw gleich vier Torhüter (Manuel Neuer, Tim Wiese, Ron-Robert Zieler, Marc-André ter Stegen), was zumindest insofern überraschend ist, als die Trainingsperiode auf Sardinien, bei der die Ehefrauen und Freundinnen der Nationalspieler dabei sein werden, eher der Regeneration und dem Teambuilding dient. Fundamentale Erkenntnisse, wer perspektivisch die Nummer zwei hinter dem wohl dauerhaft gesetzten Manuel Neuer wird, sind also eher nicht zu erwarten.

Der aus fünf Spielern (Mario Götze, Mats Hummels, Sven Bender, Marcel Schmelzer und Gündogan) bestehende BVB-Block stößt am 15. Mai zum DFB-Tross, einen Tag später kommen die beiden Madrilenen Mesut Özil und Sami Khedira hinzu. Hingegen sind die Bayern-Spieler aufgrund des Champions-League-Finales bis zum 25. Mai gebunden, inklusive Innenverteidiger Holger Badstuber, der, wie Löw berichtete, auf »Wunsch von Holger und Jupp Heynckes« beim Verein bleibt, obwohl er fürs Finale gesperrt ist. Löw lamentierte in Rastatt nicht lange über den misslichen Umstand. Die Dinge sind ja nicht zu ändern.

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