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Klavierabende

  • Lesedauer: 3 Min.

Man erlebt es selten, dass im Konzertsaal die Beleuchtung gedimmt wird. Dabei befördert ein solches Halbdunkel die Konzentration auf die Musik. Das Blättern im Programmheft und das Wühlen nach Hustenbonbons unterbleiben. Der intime Kleine Saal des Konzerthauses bleibt diese Woche dämmrig. Derzeit läuft dort das Erste Berliner Klavierfestival, das von dem Engländer Barnaby Weiler ins Leben gerufen wurde. »Einige meiner Lieblingspianisten konnte ich bislang in Berlin nicht hören«, erzählt der 37-Jährige. »Also habe ich mein eigenes Festival gegründet. Der Kleine Saal im Konzerthaus ist für Klavierabende perfekt. Er hat ein schönes Ambiente und eine wunderbare Akustik.«

Weiler ging seiner Leidenschaft für Klaviermusik bereits in den verschiedensten Bereichen der Musikindustrie nach. Er arbeitete in London im Musikalienhandel, gründete ein eigenes Label und arbeitete als britischer Verkaufsmanager für das französische Label harmonia mundi. Vor sechs Jahren hat ihn die Liebe nach Berlin verschlagen.

Zur Eröffnung seines Klavierfestivals am Samstag lud Weiler seinen Landsmann Stephen Hough ein, einen exzentrischen Universalbegabten, der auch komponiert und für Feuilletons schreibt. Der hagere Engländer, dessen Hände extrem lang sind, stellte zwei Klaviermusik-Monumente in den Mittelpunkt des Abends: Beethovens »Mondscheinsonate« und Liszts Sonate in h-Moll, die eine Eigenkomposition Stephen Houghs umrahmten. Hough hat eine funkelnd intellektuelle, trockene und lakonische Spielweise, die in der romantischen Musik zu eigenwilligen Interpretationen weitab jeglicher Sentimentalität führt. In Liszts Sonate brachte der Pianist eine harte, kontrastreiche, geradezu perkussive Seite zum Klingen; mit scharfkantigen und zerklüfteten Themen. Auch in drei Chopin-Zugaben zeigte Hough mit ungewöhnlichen, gleichwohl harmonisch sensiblen Dehnungen und Stauchungen des Tempos eine neue Lesart.

In seiner eigenen, 2011 uraufgeführten Sonate »Zerbrochene Zweige« scheint Stephen Hough die Poesie Schumanns und das harmonische Schillern Debussys aufzugreifen. Das Stück reiht im Charakter unterschiedliche, jedoch stets schlichte und volkstümliche Episoden aneinander.

Dass Festivalleiter Weiler seine Lieblingspianisten engagiert hat, bedeutet nicht, dass sich die eingeladenen Musiker in ihrer künstlerischen Handschrift ähneln. »Ich liebe ja auch Glenn Gould und Swjatoslaw Richter - aber aus verschiedenen Gründen«, stellt Weiler fest. So ist Freddy Kempf, der heute Abend gastiert, ein sehr leidenschaftlicher Interpret, der insbesondere beim russischen Publikum ankommt. Am Freitag wiederum tritt ein ehemaliges Wunderkind auf: der 19-jährige Klangfarbenzauberer Benjamin Grosvenor, der mit elf Jahren »BBC Young Musician of the Year« wurde. Das Abschlusskonzert am Samstag bestreitet die georgische Pianistin Elisso Virsaladze. Die Meisterin der russischen Klavierschule wurde durch ihre Interpretationen von Schumann und Chopin bekannt.

Barnaby Weiler hat das Festival auf eigenes Risiko gegründet. »Ich denke da angelsächsisch und finde, dass wir auf die Firmen ruhig ein wenig Druck ausüben sollten, Kultur zu finanzieren.« Weiler hat ungewöhnliche Sponsoren aufgetrieben: eine Akupunktur-Praxis, einen Hörgeräte-Akustiker, Zahnärzte. »Ich habe Unternehmer angesprochen, bei denen ich dachte, dass sie sich für unser Publikum interessieren«, fährt Weiler fort. Jetzt muss nur noch der Kartenverkauf gut laufen. »Ich bin etwas aufgeregt«, gibt Weiler zu. »Hoffentlich kann ich die Konzerte genießen.«

Bis 2. Juni, www.berliner-klavierfestival.de/

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