Berlin mit unsexy Vergabepolitik

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war ein kleiner Schritt für die Welt, aber ein großer für Berlin: Nach mehreren Anläufen trat im Juli vor zwei Jahren das Berliner Vergabegesetz in Kraft. Ein Vorzeigeprojekt des damaligen rot-roten Senats, mit dem sich Berlin einen progressiven sozial-ökologischen Anstrich gab. Öffentliche Aufträge und Beschaffungen des Landes sollten fortan nur noch an Unternehmen vergeben werden, die einen Mindestlohn von 7,50 Euro zahlen sowie soziale und ökologische Mindeststandards einhalten. Angesichts von Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträgen im jährlichen Auftragswert von rund vier Milliarden Euro alles andere als ein Pappenstiel, vielmehr ein gewichtiger Anreiz für die Privatwirtschaft, sozial und fair gehandelte Produkte und Dienstleistungen zu erstellen.

Doch der große Rückschritt kommt nun schon zu einem Zeitpunkt, da das Vergabegesetz noch nicht einmal seine Kinderkrankheiten bei der Umsetzung, wie fehlende Zertifikate für manche Produkte und klare Richtlinien für die Unternehmen, überwunden hat. Der schwarz-rote Senat schreibt mit seiner geplanten Änderung des Gesetzes den progressiven Wandel in den Wind - abgesehen von der Aufstockung des Mindestlohnes auf 8,50 Euro. Ökologische und soziale Standards wie die Kernarbeitsnormen werden nur noch bei Aufträgen über 10 000 Euro formal überhaupt verlangt, darunter ist de facto alles erlaubt - von Kinderarbeit bis zu Abwesenheit von Arbeits- und Krankenschutz.

Auch wenn das Berliner Vergabegesetz im Rahmen der Weltwirtschaftsordnung nur ein kleiner Mosaikstein ist, so ist die von Schwarz-Rot intendierte Richtung fatal. »Arm, aber sexy«, war ein Slogan, mit dem Berlin in die erste Liga des Städtetourismus aufsteigen konnte. Ein Vergabegesetz, das auf ökologische und soziale Standards weitgehend verzichtet, ist unsexy und so zweitklassig wie Hertha BSC.

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