Klotzen, nicht kleckern

Paul Krugman fordert: Vergesst die Krise!

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sieg des Sozialisten Francois Hollande in den französischen Präsidentschaftswahlen wird die wirtschaftspolitische Diskussion in Europa weiter auf die Frage zuspitzen: Wie hältst du es mit Keynes? Der britische Wirtschaftstheoretiker hatte zwischen den beiden Weltkriegen eine Theorie zur Überwindung von Wirtschaftkrisen entwickelt, deren Kern darin besteht, in Zeiten schwacher Wirtschaftstätigkeit diese durch staatliches Geldausgeben - notfalls auch »auf Pump« - zu beleben. Seitdem finden regelrechte Glaubenskriege zwischen Angebots- und Nachfragepolitikern statt, die mit besonderer Heftigkeit in den USA, aber auch innerhalb der Europäischen Union, insbesondere in der Euro-Zone, ausgetragen werden.

Einer der profiliertesten Vertreter der - von ihm modernisierten - Ideen von Keynes ist der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor Paul Krugman, der in Princeton lehrt und 2008 den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten hat. Ganz im Stil seiner zahlreichen Kolumnen, in denen er temperamentvoll in wirtschaftspolitische Debatte eingreift, hat er jetzt ein neues Buch mit dem radikalen Titel »Vergesst die Krise!« verfasst.

Krugman setzt sich in erster Linie mit der seit Reagan und von den radikalen Republikanern auf die Spitze getriebenen konservativen Wirtschaftspolitik in den USA auseinander, der er die dortige hohe Arbeitslosigkeit, das schwache Wirtschaftswachstum und die ungleiche Einkommensverteilung anlastet. In 13 gut gegliederten Kapiteln wendet er sich an ein wissenschaftlich nicht vorgebildetes Publikum, erläutert die Ursachen der seit 2008 andauernden Krise, deren Auswirkungen und die halbherzigen Versuche der Administrationen, auf die Krise zu reagieren. Anhand treffender Beispiele bringt er auf den Punkt, was Statistikern meist misslingt.

Wenn er die ungleiche Einkommensverteilung in den USA geißelt, gelingt es ihm mit einem einzigen Zahlenbeispiel die Obszönität dieses Missverhältnisses anzuprangern: »Die 25 reichsten Fondsmanager verdienen dreimal so viel wie die 80 000 Lehrkräfte der Stadt New York zusammengenommen.«

Wenn er sich mit Europa beschäftigt, dann legt er den Finger auf einen Geburtsfehler bei der Einführung des Euro: Man könne keine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschafts- und Haushaltspolitik haben. Außerdem bemängelt er die mangelnde Mobilität von Arbeitnehmern innerhalb der EU, etwa von Spanien nach Deutschland, wie sie in den USA oder in Kanada über gleiche Entfernungen als selbstverständlich gelten. Beiderseits des Atlantiks hält er in der Stunde der schweren Krise, in der sich Amerika und Europa befinden, kräftige staatliche Ausgabenprogramme für die beste Medizin gegen Arbeitslosigkeit und sinkende Wirtschaftsleistung.

Der »unzerbrochene Krug(man)«, wie den Autor eine der schlecht bezahlten New Yorker Deutschlehrerinnen nannte, schreibt seine keynesianische Kampfschrift voller Enthusiasmus und Überzeugungskraft. Dem Austeritätskurs der deutschen Bundesregierung hält er die rote Karte vor. Und, um noch eins draufzusetzen, fordert er bei den fälligen Konjunkturprogrammen: »Klotzen, nicht kleckern!«

Paul Krugman: Vergesst die Krise! Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen. Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Neubauer. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2012. 270 S., geb., 24,99 €.

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