nd-aktuell.de / 04.06.2012 / Brandenburg / Seite 12

David und Goliath

Ab heute schlägt Jazzdor, das französisch-deutsche Jazzfestival für vier Tage in Berlin auf. »Musik ist die heilende und verbindende Kraft des Universums«, behauptete stets der verstorbene Saxophonist Albert Ayler. Doch nicht minder, im Hinblick auf den Mikrokosmos Strasbourg-Berlin, ließ diese verbindende Kraft bereits pralle musikalische Blüten treiben. Durch Publikumsbegeisterung und Medienzuspruch bestätigt, geht die Veranstaltungsreihe in diesem Jahr in die 6. Runde. Zwölf deutsche und französische Gruppen, beziehungsweise drei Erstbegegnungen und sieben Deutschlandpremieren sollten bei mäßigen Eintrittspreisen zu allen Konzerten locken.

Besonders neugierig macht bereits der Eröffnungsabend, also das erstmalige Aufeinandertreffen von Pianist Michael Wollny und Gitarrist Nguyen Le. Kann der junge Pianist und Bandleader Wollny sich rühmen durch Konzerte mit dem altvorderen Tenorsaxophonisten Heinz Sauer europäische Jazzgeschichte getönt zu haben, so reichen die Saitenkünste Les von Jimmi Hendrix Adaptionen bis hin zur Mitarbeit in Big Bands. Was dieses Duo anbieten wird, muss abgewartet werden, denn eine gemeinsame Produktion gibt es noch nicht. Nicht minder zu empfehlen ist der Auftritt des Stephane Kerecki Trios mit dem Gastsaxophonisten Tony Malaby und dem Programm »Hourria«, zu Deutsch Freiheit. Denn mit islamisch mystisch geprägten afrikanischen Musikern, wie den Gnawas, arbeitet Kerecki gleichviel zusammen. Nicht zu sprechen von Louis Sclavis, Nils Wogram oder Marc Ducret, verdient Daniel Humair »New Reunion« Quartett einen besonderen Hinweis. Humair und Günter »Baby« Sommer gelten als die universellsten Schlagwerker Europas. Beehrte Sommer Jazzdor im vorletzten Jahr, und ziert »irrtümlicher weise« das diesjährige Veranstaltungsplakat, so musste Humair 2011 wegen Krankheit absagen. Doch dieses Jahr krönt der Auftritt des Trommelseniors umgeben von jungen Musikern den letzten Abend von Jazzdor 2012.

»Gut angekommen, ja etabliert in der Stadt, ist Jazzdor«, flötet Festivalleiter Philippe Ochem auf Bedarf. Dass diese Einnistung zumindest auch als Störfaktor, wenn nicht als Bedrohung angesehen wird, davon pfeift er nichts. Jazzdor, wie auch das JazzFest Berlin bietet europäischen Jazz an. Die Jazzdor-Konzerte liegen 6 Monate vor den JazzFest-Auftritten. »In diesem Jahr«, so JazzFest-Projektleiter Ihno v. Hasselt, »kam es zu Überschneidungen in der Künstlerauswahl. Mit der Konkurrenz reden wir nicht.« Das JazzFest Berlin, hervorgegangen aus den 1964 gegründeten Berliner Jazztagen, übernahm die Vertragsklausel, die es verpflichteten Musikern untersagt, ein halbes Jahr vorher in Berlin aufzutreten. Werden sich David und Goliath einigen können? Wie auch immer. Unter Zugzwang geraten erst mal die Musiker, »die«, so der Jazzpianist Uli Lenz,«bei jedem Auftritt auch ihr Herzblut verspritzen«.

Konzerte: Jazzdor, 4.- bis 7.6. ab 20 Uhr im Kesselhaus der Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin