nd-aktuell.de / 08.06.2012 / Politik / Seite 4

Europas Enkel

Stephan Werhahn trat aus der CDU aus und den Freien Wählern bei

Christin Odoj

Jetzt hat er die Nase voll. Stephan Werhahn ist unzufrieden. Mit den »etablierten Parteien«, mit deren verkrusteten Strukturen und ganz besonders mit dem Europakurs seiner Parteichefin Angela Merkel. Die sei dabei, mit Schutzschirmen und Rettungsmilliarden das von ihm herbeigesehnte starke und unabhängige Europa zu demontieren. Er habe es satt, dass Deutschland noch länger für die »vergesellschafteten Schulden« geradestehen soll. Dem 59-Jährigen blieb nur die Flucht aus der CDU hin in eine »offene, junge Partei der Jetzt-Zeit«. Und weil ihm die Piraten wohl keine Spitzenkandidatur für die kommende Bundestagswahl offerieren wollten, kam das Angebot der Freien Wähler gerade recht.

Der gebürtige Neussener ist hauptberuflich Partner beim Münchner Finanzinvestor General Capital Group, weil einem aber weder das eine noch das andere die Person Stephan Werhahn irgendwie näher bringt, kommt niemand umhin, seine Verwandtschaft mit Konrad Adenauer erwähnen zu müssen. Der Enkel - einer von 27 - hat sich vorgenommen, das »europapolitische Erbe« seines Großvaters zu retten, und ist mit diesem Anspruch bei den Freien Wählern in bester Gesellschaft. Schon mit an Bord ist der ehemalige Industrieverbandspräsident und Euro-Spalter Hans-Olaf Henkel, der mit seiner postulierten Währungsteilung in einen Nord- und einen Südeuro zwar kein einziges Problem der europäischen Finanzwirtschaft löst, aber damit einen ersten Vorgeschmack auf die Europavision der Freien Wähler gibt. Zusammen mit Werhahn sind die beiden dann auch umgehend von Parteichef Hubert Aiwanger zu einer Art finanzpolitischem Kompetenzteam ernannt worden.

Einig über den visionären Europakurs sind sich Werhahn und Aiwanger aber irgendwie noch nicht so richtig. Während ersterer Europa - also zumindest den guten Teil - zu einem Bundesstaat mit direkt gewähltem Präsidenten umgestalten will, steuert Aiwanger auf ein Europa zu, das »immer noch einen regionalen Charakter hat«. Also was denn nun? Vielleicht gilt hier die alte Weisheit: »Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.«