Polen sieht sich nach dem 1:1 gegen Russland auf Viertelfinal-Kurs

  • Matthias Koch, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Tag nach dem Hass-Duell zwischen Polen und Russland begann in Warschau mit Dauerregen. Auch Mutter Natur wollte offensichtlich, dass sich die Gemüter ein bisschen abkühlen. Die drei Hubschrauber, die vor dem Spiel über dem Stadion kreisten, und das massive Polizeiaufgebot im Innenraum vor der russischen Fankurve zum Spielende gaben der an sich fairen Sportveranstaltung keinen schönen Rahmen.

Immerhin hatte auch das 1:1-Unentschieden zur Beruhigung beigetragen, welches beiden Kontrahenten gute Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale beließ. Die Wertung der abwechslungsreichen 90 Minuten fiel in Polen euphorisch aus. Einheimische Tageszeitungen feierten das Remis, mit dem Polen auch im fünften Vorrundenspiel seiner EM-Historie sieglos blieb, als Erfolg. „Jungs, wir danken euch!" (FAKT), „Ja, ja, ja! Remis" (GAZETA STOLECZNA) und „Wir spielen immer noch! Kuba rettet uns die EURO" (PRZEGLAD SPORTOWY) lauteten die Schlagzeilen, die Spielern und Lesern Mut machen sollen.

Mut für das das Gruppen-Endspiel in Wroclaw am Sonnabend (20.45 Uhr) gegen Tschechien. Nur ein Sieg hilft weiter. Ansonsten würde die Heim-EM für Polen nur noch am Fernseher stattfinden. Dieses Problems scheinen sie sich bewusst zu sein. „Es ist noch alles drin. Wenn wir gewinnen, dann stehen wir im Viertelfinale. Theoretisch gesehen, hätten wir dann unsere Erwartungen erfüllt", sagte Jakub Blaszczykowski, der den wichtigen Ausgleichstreffer mit einem Gebet gen Himmel bejubelt hatte. „Natürlich wäre es uns lieber gewesen, das Weiterkommen schon frühzeitig klarzumachen, aber wir haben noch alle Chancen. Das letzte Spiel wird ziemlich interessant. Ich kann das 'Finale' kaum erwarten."

Polens Rechnung ist einfach. Wer dem ernüchternden 1:1 gegen Griechenland ein Remis gegen den Geheimfavoriten Russland folgen lässt, muss keine Angst vor Tschechien haben. „Es wird besser und besser. Das Spiel heute hat bewiesen, dass wir gut genug sind, um gegen die Tschechische Republik zu gewinnen", meinte Franciszek Smuda. Polens Trainer wird seine Mannschaft wohl auf mindestens einer Position verändern. Ersatzkeeper Przemyslaw Tyton muss trotz fehlerfreier Leistung gegen die Russen für Wojciech Szczesny Platz machen. Die etatmäßige Nummer eins pausierte nach einer Roten Karte gegen Griechenland für eine Partie.

Auftrieb für ihr laufintensives Spiel erhielten die Polen auch durch das im Gegensatz zum EM-Auftakt diesmal geöffnete Dach im Nationalstadion von Warschau. „Es war nicht so schwül. Nach dem Griechenland-Spiel waren in der Pause gefühlte 6 Liter Schweiß in meinem Trikot", sagte der Ex-Bremer und Neu-Stuttgarter Sebastian Boenisch „Es war nun viel angenehmer. Es hat im Hals nicht so gekratzt."

Bei den Russen war das aber vielleicht der Fall. In der Mixedzone blieben fast alle Akteure ein Statement schuldig selbst den russischen Medienvertretern. Lässig und teilweise essend schlurften die Kicker in Richtung Mannschaftsbus. Die Botschaft der Russen, die gegen Polen nach der Führung durch den nunmehr dreifachen Torschützen Alan Dsagojew wohl nicht alles zeigten, war jedoch unmissverständlich: Mit ihnen muss man bei diesem Turnier rechnen. „Wir haben das erste Spiel 4:1 gegen Tschechien gewonnen, aber gegen Polen war es ein Auswärtsspiel. Und wir müssen einfach akzeptieren, dass Polen ein wunderschönes Ausgleichstor geschossen hat", sagte Russlands niederländischer Trainer Dick Advocaat. „Wenn man objektiv ist, muss man anerkennen, dass beide Mannschaften hart gearbeitet haben, aber Russland hatte mehr Ballbesitz und Chancen." Gegen Griechenland am Sonnabend in Warschau ist Russland als Tabellenführer der Gruppe A prädestiniert für das Weiterkommen. Aber im Falle einer Niederlage könnte es auch für den Gruppenfavoriten noch eng werden.

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