nd-aktuell.de / 16.06.2012 / Brandenburg / Seite 16

Die LPG wurde meistens eine Agrargenossenschaft

Gutachten stellt fest: Bauern, die künftig allein wirtschaften wollten, wurden um Teile ihrer Abfindung gebracht

Wilfried Neiße

Die genossenschaftlich geprägte Landwirtschaft Brandenburgs befindet sich in einer guten Wettbewerbsposition, sie behauptet sich achtbar im deutschen und europäischen Vergleich. Zu dieser Einschätzung gelangt das Gutachten »Agrargeschichte des Landes Brandenburg nach 1989/90«, das am Freitag in der Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendejahre vorgelegt worden war.

Gutachter Professor Klaus Müller - er leitet das Institut für Sozioökonomie - begründet diese Einschätzung unter anderem mit einem starken Anstieg der Produktivität nach der Wende. Ein immer behaupteter »spezifisch brandenburgischer Weg« auf dem Feld der Agrarpolitik sei nicht zu erkennen, die Landesregierung habe sich vielmehr am damaligen »Mainstream« orientiert, der auch für die Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bestimmend gewesen sei. Substanzielle Unterschiede seien weder in der Förderpolitik noch bei den strukturellen Veränderungen sichtbar geworden. Nirgends sei eine deutlich abweichende Situation erkennbar. Einem Gutachten zur »Umwandlung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im Land Brandenburg« von Professor Walter Bayer ist zu entnehmen, dass aus rund 350 LPGn in der Nachwendezeit 248 Agrargenossenschaften, 99 GmbH und 18 GmbH & Co. KG hervorgegangen sind. Das sei unter großem zeitlichen Druck geschehen, weil alle Genossenschaften, die bis 31. Dezember 1991 nicht in einer neuen Rechtsform standen, liquidiert werden mussten. Hinzu seien auch mangelnde Erfahrungen getreten, heißt es. So war es kein Wunder, dass »fast alle Umwandlungen fehlerhaft« waren, wenn auch nur in jedem zehnten Fall so schwerwiegend, dass die Umwandlung als unwirksam eingestuft werden musste. Manche LPG befindet sich bis heute in Auflösung.

Professor Bayer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellte weiterhin fest, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Abfindung ausscheidender LPG-Bauern flächendeckend missachtet worden sind. Aber auch darin unterscheide sich Brandenburg nicht von anderen Bundesländern. Vor allem die Bildung überhöhter Rücklagen habe ehemalige LPG-Mitglieder um Mittel gebracht und »benachteiligt«. Mitunter sei es im Nachhinein aber zu Nachbesserungen gekommen.

Die Landtagsabgeordnete Kornelia Wehlan (LINKE) meinte, die geforderten hohen Entschädigungen hätten zur Schwächung oder Zerschlagung großflächiger Agrarstrukturen geführt, »die sich aus den natürlichen Bedingungen ableiten und die historisch gewachsen sind«. Fraktionskollege Peer Jürgens sagte, der pauschale Filzvorwurf sei nicht gerechtfertigt.

Parallel zur Sitzung der Kommission demonstrierten vor dem Landtag Bodenreformerben, die vom Staat um ihr Eigentum geprellt worden sind.