Nach dem Schlager folgt der Ruf nach Härte

Radiohörer forderten Folter und Todesstrafe

  • Guido Sprügel, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Moderatoren des Hamburger Radiosenders »Energy 97,1« haben in einer Sendung im April ihre Hörer gefragt, welches Strafmaß für Anders Breivik angemessen wäre. Die Vorschläge, ihn foltern zu lassen, ließen die Moderatoren unkommentiert. Nun hat der Medienrat ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit eingeleitet.

Rehtsradikale fordern gern die Todesstrafe für »Kinderschänder«. Der Ruf nach Härte soll an die »Volksseele« appellieren, die das deutsche Rechtssystem im Grunde zu lasch findet. Der Hamburger Radiosender »Energy 97,1« hat diese Geister in der Sendung »Zwei nach 2« am 16.April ebenfalls geweckt.

Kritiklose Moderatoren

In der Sendung baten die Moderatoren ihre Hörer zum Prozessauftakt gegen Anders Breivik in Oslo um Vorschläge für ein angemessenes Strafmaß. Gleichzeitig betonten die beiden mehrere Male, dass die gesetzliche Höchststrafe eventuell nicht ausreichen könne. Was dann in den folgenden Minuten live zu hören war, glich einem Horrorkabinett entfesselter Lynchjustiz und führte in den folgenden Wochen dazu, dass sich der Medienrat der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) mit dem Fall befasste. In drei von vier ausgestrahlten Hörerbeiträgen waren eindeutige Foltervorschläge enthalten. Sichtlich bewegt durch die Taten Breiviks forderte eine Hörerin, ihm das verursachte Leid zurückzuzahlen. Eine Gefängnisstrafe sei viel zu harmlos. Mehrere Hörer-Postings erweckten zudem den Eindruck, dass die Auffassungen der Anrufer von vielen Hörern geteilt wurden. Nun ist es die eine Seite, dass die Moderatoren mit dem Feuer spielen und eine vermeintliche »Volksmeinung« einholen, die andere Seite ist, dass sie sich von den Kommentaren der Hörer in keiner Weise abgrenzten bzw. diese kritisch kommentierten. Der Medienrat der MA HSH hat aus diesem Grund nach längeren Beratungen am 13. Juni einen Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag festgestellt und ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren eingeleitet. Nach Auffassung des Rates hätten sich die Moderatoren eindeutig von den Foltervorschlägen der Hörer abgrenzen bzw. diese kommentieren müssen. Dies sei vor allem in Anbetracht der Sendezeit unbedingt erforderlich gewesen, da am Nachmittag viele Jugendliche das Programm hören.

Nach Ansicht des Medienrates könnte »eine in dieser Form weitgehend unkommentierte Ausstrahlung von Foltervorschlägen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren in ihrer Entwicklung beeinträchtigen«. Jörg Howe, der Vorsitzende des Rates, ergänzt in einer Pressemitteilung, dass sich Kindern und Jugendlichen leicht der Eindruck aufdrängen könnte, es sei »unbedenklich und gesellschaftlich akzeptiert, derartige Positionen öffentlich zu vertreten«.

Sender nimmt Stellung

Der Rat hat mit seiner Intervention auf eine konkrete Programmbeschwerde von Hörern reagiert, die sich nach der Ausstrahlung an ihn gewandt hatten. Der Sender hatte dann Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. »Radio Energy hat sich in der Sache einsichtig gezeigt. Aufgrund der Intensität des Vorfalls hat unser Medienrat jedoch beschlossen, ein offizielles Ordnungswidrigkeiten-Verfahren durchzuführen. Über die mögliche Verhängung eines Bußgelds wird letztendlich im August entschieden«, so Wolfgang Bauchrowitz, stellvertretender Direktor und Justiziar der Medienanstalt gegenüber »nd«. Sollte der Sender schuldig gesprochen werden, droht ihm eine Geldbuße. Über die Höhe sollten die Moderatoren lieber nicht mit ihren Hörern debattieren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal