Die Dialektik des Scheiterns

Er galt als einer der letzten großen Universalgelehrten und wurde nicht müde, die Welt vor den Gefahren einer entfesselten Wissenschaft zu warnen: der deutsche Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker, der heute 100 Jahre alt geworden wäre.

Wie kaum ein anderer Denker wurde Carl Friedrich von Weizsäcker während des Kalten Krieges in Ost und West als moralische Autorität geachtet. Das geht nicht zuletzt aus der Tatsache hervor, dass die Leipziger Universität, an der er vormals studiert hatte, ihm 1987 die Ehrendoktorwürde verlieh. Zwar galt Weizsäcker im offiziellen Sprachgebrauch der DDR seinerzeit als »spätbürgerlicher Philosoph«, und manche seiner Bücher verschwanden in den »Giftschränken« der Bibliotheken. Doch sein engagierter Einsatz für eine europäische Friedensordnung dürfte auch die SED-Führung beeindruckt haben, ohne deren Zustimmung die viel beachtete Ehrung sicherlich nicht erfolgt wäre.

Vor 100 Jahren, am 28. Juni 1912, wurde Carl Friedrich von Weizsäcker in Kiel geboren. Sein Vater, ein Marineoffizier, trat nach dem Ersten Weltkrieg in den diplomatischen Dienst und bekleidete von 1924 bis 1927 das Amt des Gesandtschaftsrats in Kopenhagen. Hier lernte der...