Tipps gegen Rechtsextreme

Broschüre soll Wirte im Umgang mit unerwünschten Gästen stärken

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

»Der Mieter ist nicht berechtigt, die Mieträume zur Durchführung von Veranstaltungen zu nutzen, auf denen rechtsextremes, rassistisches, antisemitisches oder antidemokratisches Gedankengut dargestellt und/oder verbreitet wird.« Dieser Passus findet sich im »Formulierungsvorschlag für Mietverträge«, den der Gaststättenverband gemeinsam mit dem Bildungsministerium gestern vorgestellt hat. Er ist Bestandteil einer Broschüre, mit deren Hilfe märkische Wirte und Hotelbetreiber besser auf den Umgang mit rechtsextremen »Neukunden« vorbereitet werden sollen.

Bildungsministerin Martina Münch (SPD) klärte auf, warum das Heft »Rechtsextremisten nicht auf den Leim gehen - Ein Ratgeber für Gastronomie und Hotellerie« erarbeitet wurde: »Rechtsextreme benötigen Räume, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. Dieser Ratgeber unterstützt die brandenburgischen Gastwirte darin, ihnen diese Räume zu nehmen.« Sie verwies auf einschlägige Beispiele aus der Vergangenheit. Weil ein Gastwirt in Bad Saarow in den Mietern seiner Räume Rechtsextreme erkannt hatte, verweigerte er ihnen die Nutzung und wurde verklagt. Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Hotel einem Gast auch Hausverbot aufgrund seiner politischen Überzeugung erteilen darf. Das gelte jedoch nur, wenn noch keine verbindliche Buchung vorgenommen worden sei.

Die Broschüre - in ihrem Falle wurde eine Hamburger Vorlage mit Blick auf die brandenburgischen Verhältnisse überarbeitet und in einer Stückzahl von 1500 Exemplaren produziert - enthält Hinweise, wie sich NPD und Konsorten bei Anfragen tarnen. Nicht selten werde eine Geburtstagsfeier vorgetäuscht oder eine Weinverkostung. Sie »spielen Verstecken«, wie die Ministerin sagte. Auch würden sich diese Kräfte Dritter bedienen, um bei der Buchung unerkannt zu bleiben.

Das Heft klärt über einschlägige Symbole und deren Bedeutung auf und enthält einen Kalender mit »Feiertagen«, die einen Faschismusbezug haben können. Weil Nazis ihren parlamentarischen Halt im brandenburgischen Landtag verloren hätten, würden sie sich jetzt auf Kampfsport und Rockerszene orientieren. Münch: »Die Bedingungen und Strategien ändern sich permanent.« In Vorbereitung auf das Superwahljahr 2014 würde die immer stärker nazifizierte NPD sich vor allem auf Erst- und Jungwähler konzentrieren, die nun schon mit 16 Jahren eine gültige Stimme für den Landtag abgeben dürfen. Aber: »Wir werden sie damit nicht alleine lassen.«

Laut dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes e. V. Brandenburg (DEHOGA) Olaf Lücke müssen schon im Vorfeld Wirte aktiv werden und »nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist«. Oftmals wüssten Hotelbetreiber gar nicht, wen sie beherbergten oder beköstigten. »Ziel muss die Früherkennung sein.« Auf die Frage, ob es eigentlich rechtsextreme Wirte gebe, welche diese politische Strömung als Geschäftsidee für sich entdeckt hätten, sagte Lücke: »Ich kenne keinen.« Wirte würden sich das auch deshalb zweimal überlegen, weil ein solcher Ruf auf Dauer das Geschäft ruinieren würde. »Ich würde dort keine Geburtstagsfeier mehr ausrichten lassen.«

Die DEHOGA ist seit 2009 Kooperationspartner der Koordinierungsstelle »Tolerantes Brandenburg«. Der Vertreter der »Mobilen Beratungsteams« Robin Kendon sagte, die Broschüre beweise die Vertiefung des Kampfes gegen rechtsextreme Gesinnung. Das Problem für viele Wirte sei die fehlende Handlungssicherheit. Eine Konzentration auf die NPD greife außerdem zu kurz: »Viele Rechtsextreme sind nicht Mitglied der NPD«.

Das Problem seien die Internetbuchungen, gestanden die Akteure. Denn das Gericht hatte rechtskräftig zustande gekommene Verträge als gültig bezeichnet. Und im Internet kann man solche Buchungen rechtsgültig vereinbaren. Dem könne man nur begegnen, indem die Ablehnung rechtsextremer Haltung schon im Buchungsangebot und in den allgemeinen Geschäftsbedingungen auftaucht, sagte DEHOGA-Geschäftsführer Lücke. Wer sich gegen erfolgte Buchungen wehre, dem drohen Vertragsstrafen. Insofern bat er um Verständnis und darum, dass nicht »eine Branche jetzt stigmatisiert« werde.

Eine unmittelbar Gebrauchsanweisung sei die neue Broschüre aufgrund dieser Umstände nicht, fügte Ministerin Münch hinzu. Wenn Rechtsextreme jedoch einen Vertrag unter falscher Flagge geschlossen hätten, dann könne das »gerichtlich überprüft« werden.

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