Ruf in den Wald motiviert Beamte nicht

Klagen nach Weihnachtsgeld-Streichung in Sachsen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsens 32 000 Beamten erhalten seit 2011 kein Weihnachtsgeld mehr. Experten warnen vor den Folgen.

Die Streichung des Weihnachtsgeldes sorgt bei Sachsens Beamten für Verstimmung. »Das Signal ist: Wertschätzung findet nicht statt«, sagt Ralf Neuhäuser. Er leitet den Personalrat in der Justizvollzugsanstalt Dresden und erklärte in einer auf Antrag der LINKEN durchgeführten Expertenanhörung im Landtag die Folgen. Im mittleren Dienst sei eine »Jahressonderzahlung« von 701,12 Euro netto gewährt worden. Mit dem Wegfall habe sich das Einkommen jüngerer Beamter und ihrer Familien um 3,2 Prozent verringert. Das habe nicht nur finanzielle Folgen: »Es geht um Anerkennung und Identifikation mit der Arbeit.«

Letztere habe bei den Landesbediensteten zuletzt stark gelitten, berichteten auch andere Experten. Thomas Giesen, langjähriger Landesbeauftragte für Datenschutz, vertritt als Anwalt eine Reihe von Klagen gegen die Weihnachtsgeldstreichung. Politiker, die den Schritt beschlossen hätten, müssten sich fragen: »Was tut der Wald, wenn man so hineinruft?!« Giesen schilderte eine verbreitete Stimmung, wonach es »nicht mehr schön ist, in diesem öffentlichen Dienst zu arbeiten«. Auch Ruben Franzen, Richter in Eilenburg und im Landesrichterrat engagiert ist, warnt vor nachlassendem Engagement: »Wenn man Vertrauen verspielen will, dann so.«

In der Anhörung wurde indes deutlich, dass der Schritt zwar politisch heftig kritisiert wird, juristisch aber wohl schwer angreifbar ist. Zwar habe der Staat laut Grundgesetz eine »Alimentationspflicht« für seine Beamten, sagte der Berliner Rechtswissenschaftler Ulrich Battis. Die Streichung des Weihnachtsgeldes bedeute für die Staatsdiener aber einen Einkommensverlust von »nur« rund vier Prozent. Das sei »bedauerlich für die Betroffenen«, sagte Battis: »Verfassungsrechtlich ist das aber unproblematisch.« Dem stimmte auch Franzen zu: Er hält eine »belohnende Besoldung«, wie sie die jährliche Sonderzahlung darstelle, ohnehin für überholt. Allerdings müssten im Gegenzug die allgemeinen Bezüge erhöht werden.

Das empfände auch Reinhard Schade als »gute Geste«. Der Richter am Bautzner Landgericht und Vorsitzende des Sächsischen Richtervereins verweist darauf, dass mit der Streichung des Weihnachtsgeldes »die letzte Tariferhöhung rückgängig gemacht wurde«. Ohnehin seien die Bezüge von Richtern, Staatsanwälten und anderen Beamten im Land nach einigen Nullrunden »greifbar abgekoppelt« von der allgemeinen Einkommensentwicklung. So seien die Gehälter im Bereich Handel, Banken und Versicherungen binnen 15 Jahren um 46 Prozent gestiegen; Sachsens Richter verzeichneten nur ein Plus von 20 Prozent.

Nicht nur der Motivation der im Amt befindlichen Landesbediensteten droht durch diese Entwicklung spürbarer Schaden, wie die Experten betonten. Schritte wie die Streichung des Weihnachtsgeldes, der 2004 bereits der Wegfall des Urlaubsgeldes voranging, verringerten zudem auch die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Berufsanfänger. »Die hellen und aufgeweckten Köpfe«, sagt Richter Ruben Franzen, »gehen nicht mehr in den Staatsdienst.«

Während die LINKE die Rücknahme der Streichung fordert, beharrt Finanzminister Georg Unland (CDU) darauf: Es gehe um eine »langfristig tragfähige Bezahlstruktur um öffentlichen Dienst«.

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