nd-aktuell.de / 30.06.2012 / Kultur / Seite 29

Hornissen stehen zu Unrecht in gefährlichem Ruf

GARTENTIERE: Wespen und Bienen stechen schon mal zu, doch Komplikationen sind selten

Prof. Dr. Ulrich Sedlag, Zoologe

Vor Jahren nahm ein in Leserzuschriften im Eulenspiegel ausgefochtener Streit geradezu aggressive Formen an. Es ging darum, ob Hummeln stechen können. Sie können! Dank »berufsbegleitender Neugier« kann ich es aus eigener Erfahrung bestätigen. Aber es sind friedliche Tiere, die unter normalen Bedingungen nie über einen Menschen herfallen. Man droht im allgemeinen auch nicht mit ihren in der Erde angelegten Nestern so in Berührung zu kommen wie etwa mit denen im täglichen menschlichen Aktionsbereich gelegentlich bedrohlichen Wespen- oder Hornissenvölkern.

Hornissen stehen indes - wohl ihrer Größe wegen - ganz zu Unrecht in schlechtem Ruf. Hinzu kommt, dass ihr Brummen unweigerlich alarmiert. Auch hier kann ich eigene Erfahrung einbringen, da ich ihnen gelegentlich im Nestbereich zu nahe kam. Hornissenstiche sind weder schmerzhafter noch gefährlicher als die von Hummeln, Wespen und Honigbienen.

Vorsicht ist bei den einen wie den anderen geboten. Nicht zuletzt bei der Honigbiene. Es ist wie beim großen Los: Die Wahrscheinlichkeit einer Komplikation ist äußerst gering, aber es kann einen doch einmal treffen. Hier negativ. Einmal traten bei mir nach einem Bienenstich mit normalem Schmerz nach etwa zehn Minuten Symptome am gesamten Körper auf: Schüttelfrost, Sehstörungen, heftige, stundenlang anhaltende Kopfschmerzen, merkliches Pulsieren der Halsschlagader, Brechreiz. Ein Fall für einen Notarzt also. Im Jahr darauf widerfuhr mir Ähnliches, wobei es zu erschwerter Atmung kam. Dies ist ein bedenkliches Symptom, denn Atemlähmung ist Ursache für den gelegentlichen plötzlichen Tod nach einem einzigen Bienenstich. Etwas zu helfen schien damals das Überströmen des Kopfes mit kaltem Wasser.

Als junger Wissenschaftler habe ich die Symptome protokolliert und mir in Zukunft Mühe gegeben, keiner Biene mehr Gelegenheit zum Stechen zu geben. Das war in den zurückliegenden Jahren nicht immer erfolgreich, aber spätere Stiche blieben ebenso wie die der anderen Hautflügler folgenlos. Übrigens sind die Honigbienen durch züchterischen Einfluss heute wohl weniger aggressiv als damals.

Die Honigbiene hat übrigens einen Stachel, an dem ein Widerhaken sitzt. Er ist die Ursache, wegen der die Biene ihn nicht herausziehen kann und an ihrem Stich zugrunde geht. Bei ihrem Fluchtversuch wird nämlich der Giftapparat mit Vorratsblase herausgerissen, aus dem man dann bei ungeschicktem Versuch der Entfernung leicht eine größere Dosis des Giftes in die Wunde drückt. Wespen und Hornissen können ihre Stacheln herausziehen, so dass keine solche Gefahr besteht.