nd-aktuell.de / 30.06.2012 / Brandenburg / Seite 15

Eine teuflische Aktion

Rohrbombenleger des versuchten Mordes angeklagt

Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Der Mann erinnert an einen Studenten im 40. Semester. Seine Augen blicken wach in den Gerichtssaal, er verdeckt sein Gesicht nicht vor den Kameras, wie so viele Angeklagte es tun. Einen Notizblock legt er sich bereit. Kein Zeichen eines Gefühls von Unrecht. Er will offensichtlich wahrgenommen werden von der Öffentlichkeit. Dabei hat er in Berlin mehrfach für Angst und Schrecken gesorgt. Stephan S. (40 Jahre) ist der mutmaßliche Rohrbomber von Wedding. Nun ist er des versuchten Mordes und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion angeklagt.

Es war der 14. August letzten Jahres zur nachmittäglichen Stunde. Ein Mann ist mit dem Fahrrad und seinem Hund durch den Schillerpark unterwegs. An einer Parkbank macht er Rast, als er neben sich eine Aldi-Tüte mit einem Schuhkarton erblickt. Als er die Kiste herausnehmen will, trifft ihn der Blitz. Im Paket befand sich eine Rohrbombe, mit Nägeln gefüllt, die beim Berühren explodiert war. Der schwer verletzte Gärtner wurde sofort ins Virchow-Klinikum gebracht und operiert. Er hatte Glück im Unglück. Die Detonation hätte ihn töten können. Der Hund blieb unverletzt. Ein Täter war nicht auszumachen, die Kriminaltechniker fanden jedoch Parallelen zu zwei anderen Rohrbomben, die am 27. Juni 2007 am Plötzensee und am 26. Mai 2011 am Uferweg des Spandauer Schifffahrtskanals gefunden worden waren und keinen Schaden angerichtet hatte.

Intensive Ermittlungen führten schließlich zu Stephan S., der im Internet bei einer Elektronikfirma Bauteile, die man für die Zünder verwenden konnte, gekauft hatte. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Ermittler neben Waffen auch weitere Materialien zur Herstellung von Granaten. Auf seinem Computer soll S. seine Wahnvorstellungen über Mord und Totschlag aufgeschrieben haben. »Ich will Blut sehen ... Ich liebe die Katastrophe.« Was ihn dazu trieb, blieb am ersten Prozesstag im Dunkeln, der Angeklagte schwieg bisher. Auch bei der Polizei soll er keine Aussagen gemacht haben.

Psychiatrische Gutachter werden während des Prozesses darüber zu befinden haben, ob der gelernte Kfz-Mechaniker S., der von seiner Umgebung als Einzelgänger und Sonderling beschrieben wird, für unzurechnungsfähig erklärt wird oder ob er für seine Taten voll verantwortlich ist. Zur Zeit befindet er sich im so genannten Maßregelvollzug, also in einer geschlossenen Einrichtung. Das Urteil wird für Mitte August erwartet.