nd-aktuell.de / 03.07.2012 / Politik / Seite 6

»Wir arbeiten jetzt als Partei zusammen«

Die neuen NRW-Vorsitzenden der LINKEN im »nd«-Gespräch

Die nordrhein-westfälische Linkspartei hat am Wochenende beim Landesparteitag in Münster ein neues Führungsduo gewählt: die Gymnasiallehrerin Gunhild Böth (links) und den Ingenieur Rüdiger Sagel. Mit den beiden Landessprechern sprach für »nd« Marcus Meier.

nd: Frau Böth, wie erklären Sie als Lehrerin Schülern, warum die LINKEN sich immer fetzen wie die Kesselflicker?

Böth: Ich sehe es nicht so, dass wir uns auf dem Landesparteitag in Münster gefetzt haben. Dieser Parteitag hat, so finde ich, Großes geleistet. Es wurde in der Sache kontrovers, aber gegen Schluss sehr einheitlich debattiert. Der Parteitag hat ziemlich klar die Probleme benannt: Die bestehen in der Kommunikation, in der Zusammenarbeit, beim Parteiaufbau.

Der alte Landesvorstand war dominiert von der Strömung »Antikapitalistische Linke« (AKL). Der Koordinator der konkurrierenden »Sozialistischen Linken« (SL) warf ihm »kleinbürgerlich-linksradikales Sektierertum« sowie »völlig rücksichtslose innerparteiliche Ausgrenzungspolitik« vor. Und er rühmte sich, die bisherige Landeschefin Schwabedissen »mit der Kettensäge« bekämpft zu haben.

Böth: Das haben Sie richtig beobachtet. Aber man kann nicht einzelne Menschen herausgreifen und dann so tun, als würde die Partei so diskutieren. Ich habe die Protagonisten dieses E-Mail-Verkehrs angeschrieben und gesagt, sie sollen den Mail-Verkehr einstellen.

Sagel: Die Strömungen haben massiv an Bedeutung verloren. Wir haben in Münster ein überwältigendes Signal der Geschlossenheit gegeben - durch den Leitantrag, den wir nach ausführlicher Debatte mit ganz wenigen Gegenstimmen beschlossen. Wir haben erkannt, dass es so wie bisher nicht weiter gehen kann. Natürlich muss man sich inhaltlich auseinandersetzen, dann aber eine klare Linie vertreten, insbesondere nach außen.

Wie wird sich die LINKE zur rot-grünen Landesregierung verhalten?

Sagel: Wir werden die Landesregierung in den Kommunal- und Regionalparlamenten, aber auch außerparlamentarisch unter Druck setzen, zusammen mit den Initiativen. Finanzpolitik ist dabei ein wichtiges Thema: Vor den Wahlen werden Versprechen gemacht, die nach der Wahl sofort gebrochen werden. Umverteilung, Kürzungen und Spardiktate gehen weiter. Und genau das ist auch die Politik, die wir nach einem rot-grünen Wahlsieg auf Bundesebene erwarten könnten.

Was verbirgt sich genau hinter dem oft beschworenen »Parteiaufbau«?

Böth: Wir haben in den letzten Jahren immer Wahlkämpfe geführt. Dabei gab es eine große Einigkeit, aber Strukturen und Kommunikationswege wurden nicht gepflegt - zwischen Kreisverbänden, Landesvorstand, Landesarbeitsgemeinschaften und den Ratsfraktionen. Es existiert ein Riesennetzwerk, das zu pflegen Aufgabe des neuen Landesvorstandes ist. Es geht um den Aufbau regionaler Zusammenhänge, um Hilfen und Unterstützung für die Kommunalfraktionen und darum, Menschen zusammenzubringen, die am selben Thema arbeiten.

Ein Haufen Vernetzungsarbeit - bei einem geschrumpften Apparat.

Böth: Wir sind 20 Landesvorstandsmitglieder, ein Teil davon war schon im alten Landesvorstand aktiv. Wir bringen Erfahrung und Kompetenz mit. Wir sind uns einig, dass wir die inhaltliche Zuspitzung von Themen leisten können und dabei als Team arbeiten werden. Außerdem sind die Kreisverbände auf dem Parteitag eine Selbstverpflichtung eingegangen: Wir arbeiten jetzt als Partei zusammen auf allen Ebenen.

Die Linksfraktion im NRW-Landtag lehnte den rot-grünen Haushaltsentwurf ab, was zu Neuwahlen führte, bei denen die LINKE aus dem Parlament flog. Handelte die Fraktion konsequent, selbstmörderisch oder konsequent selbstmörderisch?

Sagel: Wir haben als Landtagsfraktion auf Parteilinie und aus meiner Sicht sehr schlüssig gearbeitet. In den Verhandlungen haben sich SPD und Grüne keinen Millimeter bewegt. Sie waren nicht zu Zugeständnissen bereit - kein Wunder, wenn man sich ihre jetzige Sparpolitik angeht. Ich glaube, es war und ist sehr wichtig für die LINKE, die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Ich war ja selbst bis 2007 Mitglied der grünen Partei, die in vielen Bereichen unglaubwürdig wurde ...

... aber anders als Sie immerhin noch im Landtag sitzt.

Sagel: Ja, weil die Grünen mit ihrer Abwendung von linken Inhalten ganz andere Wählerschichten angesprochen haben ...

... während Sie Ihre Wählerschichten offenbar verloren haben.

Sagel: Wir haben zeitweilig Wähler verloren, aber nicht unsere Glaubwürdigkeit. Ich bleibe Optimist: Die LINKE hat ein deutlich größeres Potenzial als bei der NRW-Wahl.