Postkarten vom »Pik Leipzig«

Vier Messestädter starten eine spektakuläre Marketingaktion und ersteigen einen 5700er im Pamir

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit August 1989 trägt ein Gipfel im kirgisischen Pamirgebirge den Namen »Pik Leipzig«. Noch findet er sich aber auf kaum einer Bergkarte - es fehlte an exakten Koordinaten. Nun gibt es aber ein farbiges Reliefbild des Hochgebirgsgletschers. Mit diesem startet Ralf Brummer, der den 5725-Meter-Gipfel seinerzeit nach der Erstbesteigung auch getauft hatte, jetzt mit drei weiteren Leipzigern zu einer erneuten Expedition.

Ende August werden die Briefzusteller in und um Leipzig wohl ungewöhnliche Postkarten auszutragen haben, abgeschickt im Tiefschnee des Pamir, konkret vom 5725 Meter hohen »Pik Leipzig«. Als kühne Postillione vor Ort wollen sich vier Leipziger um den 61-jährigen Bauingenieur und Bergsteiger Ralf Brummer betätigen. Vor dem Start am 21. Juli holt sich das Quartett mit der Post-Aktion gleich noch etwas Geld in die Expeditionskasse, denn das Porto für die handsignierten Gletschergrüße beträgt zehn Euro. Die Einnahmen sollen ein wenig helfen, die Kosten für Flug, Visa, Ausrüstung und anderes zu stemmen.

Kupferbüchse am Gipfel

Im Grunde sei das Ganze freilich eine einzigartige Marketingaktion für die Region, sagt Brummer: »Welche Stadt hat schon einen Berg, der nach ihr benannt ist?« Schon vor 23 Jahren führte der heutige Chef der Alpin Maler und Werterhaltung GmbH die Leipziger Seilschaft an, die am 9. August 1989 erstmals diesen Berg im kirgisischen Hochgebirge bezwang. Sie tauften ihn auf ihre Heimatstadt und arretierten eine Kupferbüchse mit dem eingravierten Schriftzug »Pik Leipzig«. Diese enthält das Gipfelbuch mit dem Datum der Landnahme, der gewählten Route über die Nordwand und den Namen der Erstbesteiger - neben Brummer waren das Wolfgang Hempel, Erhard Klingner und Siegfried Wittig.

Die Vorgeschichte hierzu sei allerdings ebenso abenteuerlich gewesen, wie das Entern des Gletschers selbst, erzählt Brummer. Man hatte zwar den Segen der damaligen Leipziger Rathausspitze, dennoch schlugen sich die vier zunächst nur mehr oder minder legal zum Pamir durch. Im Basislager des 7134 Meter hohen Pik Lenin lernten sie den Chef der ersten sowjetischen Everest-Expedition kennen. Ihm erzählten sie ihr Ansinnen, einen noch jungfräulichen Gipfel erklimmen zu wollen, um ihn nach Leipzig zu benennen. Man half ihnen beim Suchen und gab ihnen Lichtpausen alter Pamir-Karten von 1928/29. Auf deren Basis erstellten sie sich dann per Hand eine Geländeskizze. »Dann umkreisten wir im Hubschrauber das Hochplateau, um die beste Aufstiegsroute zu erkunden«, erinnert sich der Bergfreak. Schließlich ging es los. Das Wetter spielte mit, so erklommen sie vom Höhenlager aus, das sie sich in gut 5100 Metern eingerichtet hatten, auf einen Ritt den Gipfel.

Brummer machte sich später kundig: Es existieren im Grunde keine internationalen Regularien, wie ein Berg zu seinem Namen kommen darf oder muss. »Was zählt, ist allein das Gewohnheitsrecht«, sagt er. Dennoch fand sich die Bezeichnung »Pik Leipzig« bis vor kurzem noch auf keiner Bergkarte. Denn zunächst ging die spektakuläre Aktion in den Wendewirren unter, dann erwies es sich als schwierig, die exakten Koordinaten des Gipfels zu orten. Zwar lieferten die Männer zu ihrer Skizze geografische Daten mit - indes nach dem hierfür heute kaum noch tauglichen Gauß-Grüger-System.

Und doch wurde der Kartograf Rolf Böhm aus Bad Schandau fündig. Brummers alter Kletterfreund durchforstete im Internet Höhendaten der Nasa, verglich diese mit der Handskizze von 1989 und war sich eines Tages sicher: Der hufeisenförmige Bergkamm mit zwei Buckeln, den er da im Pamir unweit der Grenze zu Afghanistan lokalisiert hatte, konnte nur der »Pik Leipzig« sein. Gut möglich jedoch, dass Leipzigs Berg nun sogar noch ein ganzes Stück wächst, mutmaßt Brummer, der dies hoch oben per GPS nachmessen wird.

Zumindest kann die neue Expedition, die am 21. Juli mit dem Flug in die kirgisische Hauptstadt Bischkek beginnt, nun nach einem nagelneuen farbigen Reliefbild mit Höhenlinien und Geländepunkten den Aufstieg wagen. Mit dabei sind noch Steffen Löfflmann, Inhaber eines Leipziger Bergsport- und Outdoor-Shops, seine Frau Gerlind Löfflmann sowie der Leipziger Thomas Veit.

Ralf Brummer will dieselbe Nordroute wählen wie 1989. »Wenn alles solide vorbereitet ist und wir uns in der Höhe gut akklimatisiert haben, ist es in drei Tagen zu schaffen«, meint er zuversichtlich. Und doch blickt er mit einigem Respekt dem neuen Wagnis entgegen. Ihn sorgt ein relativ breiter Gletscherabriss, den sie schon damals nur mit Mühe querten. »Ist diese Randkluft wegen des Klimawandels womöglich weiter gewachsen und damit unpassierbar?«, orakelt er. Dann müssten sie einen größeren Umweg nehmen. Auf jeden Fall werde man diesmal aber gesichert laufen, statt wie 1989 auf zusätzliche Seile zu verzichten. Auch einen Abstieg am selben Tag schließt er aus. »Einen Nacht werden wir oben schlafen.«

Geleitschutz erbeten

Heimatliche Unterstützung erhält das Quartett erneut aus dem Rathaus, wenn auch eher immaterieller Art. So bat Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bereits in Schreiben an die Behörden in Kirgistan um eine Art offiziellen Geleitschutz. Überdies will man auf der städtischen Internetseite regelmäßig live vom »Pik Leipzig« berichten. Das hierfür benötigte Satellitentelefon steuert die Leipziger Hochschule für Telekommunikation bei. Daneben sind es zuerst Mittelständler, die den zweiten Gipfelsturm unterstützen. Auch der Handballclub Leipzig sitzt mit im Boot, zudem die örtliche Sektion des Alpenvereins.

Wer Post vom »Pik Leipzig« haben will, wende sich an: Ralf Brummer, Alpin Maler und Werterhaltung GmbH, Tel. 0341 / 48 46 90, e-Mail: info@alpinmaler.de, Internet: www.alpinmaler.de

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