Im selbstgerechten Schenkelklopfen ist die Bayerische Landesregierung unschlagbar. Erst am Mittwoch hat Ministerpräsident Horst Seehofer der staunenden Öffentlichkeit verkündet, Bayern sei »eine Oase der Stabilität in einem Meer von Schuldensündern«. Vermutlich sehen das zumindest einige der 80 000 Mieter, deren Wohnungen demnächst in München, Nürnberg, Erlangen und Regensburg zum Verkauf stehen, ein wenig anders. Und wissen überdies aus jüngster Erfahrung, dass die Worte des »Landesvaters« und CSU-Vorsitzenden nur begrenzte Halbwertzeit besitzen. Denn seit klar ist, dass Bayerns größte Wohnungsgesellschaft GBW, die bislang zu 92 Prozent der Bayerischen Landesbank gehört, verkauft werden muss, hat Seehofer nicht nur einmal versichert, sich »persönlich« für den sozialen Schutz der Mieter einsetzen zu wollen. Doch weder wird etwa die von Mieterverbänden geforderte schützende Hand des Freistaates als Erwerber, noch das von Bayerns Finanzminister Markus Söder vorübergehend favorisierte Kaufmodell durch die Kommunen zum Tragen kommen. Seit Anfang Juli wissen die Mieter, dass sich ihre Landesregierung zu einer Veräußerung an den meistbietenden Investor entschieden hat.
Und so könnten sie womöglich zu Opfern der Finanzkrise werden. Denn Stabilitätsoase Bayern hin oder her - dass die Wohnungsgesellschaft verkauft wird, hat unmittelbar mit dem Bankenzocken zu tun. Der Mieterverein München machte diese Woche auf die Genesis des Vorgangs aufmerksam. Die GBW ist Tochter der Bayerischen Landesbank - die wiederum zu 96 Prozent dem Freistaat gehört. Weil der Landesbank 2008 am Rande einer Pleite von Europäischer Kommission und Freistaat mit Milliarden unter die Arme gegriffen werden musste, verlangt die EU jetzt Maßnahmen zur Umstrukturierung des Bankinstitutes - zur Reduzierung aufs Kerngeschäft - und zur Rückzahlung der Staatsbeihilfen. Also zum Verkauf mit bestmöglichen Ertrag.
Klar, dass Mieter und ihre Interessenvertreter befürchten, dass auch die 33 000 bayerischen Wohnungen an irgendeinen Immobilienhai geraten, dem der soziale Schutz der Bewohner ihres Neuerwerbs ziemlich egal ist. Zumal bekannt ist, dass Immobilienunternehmen und Finanzinvestoren gegenwärtig gerade in Deutschland auf Einkaufstour unterwegs sind, um in großer Renditeerwartung ganze Wohnungsbestände aufzukaufen. Der Münchener Mieterverein hat deshalb nicht nur Zusatzverträge als Anlage zum Mietvertrag zum Schutz der Mieter gefordert, sondern sie gleich selbst entworfen. Auch aus der Erfahrung, dass die vielgepriesene Sozialcharta, auf die sich zwecks Beruhigung der Gemüter auch Seehofer und Söder immer wieder berufen, nicht allzu viel bringt.
Anja Franz vom Mieterverein der bayerischen Landeshauptstadt erklärt gegenüber »nd«, dass die Sozialcharta lediglich eine soziale Richtlinie sei, die sich das Unternehmen selbst gibt, auf die die Mieter aber keinen durchsetzbaren Anspruch hätten. Das reiche den Mietervertretern nicht aus.
In den jetzt kurz vorm Verkauf erarbeiteten und gestern übergebenen Zusatzverträgen soll sich die GBW verpflichten, Mietsteigerungen von mehr als zehn Prozent innerhalb von drei Jahren auszuschließen. Außerdem soll einer Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und jedweder Luxusmodernisierung ein Riegel vorgeschoben und den jetzigen Bewohnern für mindestens 15 Jahre Schutz vor Eigenbedarfskündigung gewährt werden.
Ob die Mietervertreter bei der GBW, die früher mal eine gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mit vielen Sozialwohnungen war, mit den Zusatzverträgen auf Gegenliebe stoßen, darf bezweifelt werden. Andererseits dürfte auch den CSU-Politikern Seehofer und Söder angesichts wenig erfreulicher Umfragewerte zu denken geben, dass 80 000 Mieter auch 80 000 Wähler sind. Ganz abgesehen davon, dass der ebenfalls der CSU angehörige zuständige Bundesbauminister Peter Ramsauer gerade sein Klagelied vom Schwund der sozialen Wohnungen und der Verantwortung der Länder angestimmt hat ...
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/232425.unruhe-in-der-stabilitaetsoase.html