nd-aktuell.de / 14.07.2012 / Kommentare / Seite 8

Verbannt

Christin Odoj

Nach nur 15 Monaten ist Schluss: Karl-Friedrich Stracke, Ex-Vorstandschef der Opel AG und Ex-Präsident von General Motors (GM) Europe, hat die Geduld der Konzern-Übermutter in Detroit lange genug strapaziert. In einem knappen Jahr hat er das Unschaffbare nicht erreicht: ein Unternehmen, das seit 1999 dauerhaft Verluste schreibt und 2009 erst in letzter Sekunde der Insolvenz von der Schippe sprang, zum Marktführer zu machen. Und dann kam er auch noch mit Ideen von Arbeitsplatzsicherung und einem Nein zu Werksschließungen - dabei war er doch als Sanierungsfachmann eingestellt worden. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Nick Reilly - ebenfalls ein Sanierungsfach-

mann - , dem eine ähnlich kurze Halbwertzeit vergönnt war, galt Stracke als Versöhner, der aber offensichtlich zu viel Zeit und vor allem Geld kostete. Im letzten Jahr erzielte GM einen Milliardengewinn, da war das von Opel geprägte Geschäft in Europa mit einem Minus von 523 Millionen Euro ein gehöriger Klotz am Bein.

Die strenge Mutter sieht sich schließlich zu Erziehungsmaßnahmen gezwungen. Nun muss Stracke, so weiß es schon die »Bild«-Zeitung, zur Strafe nach Sibirien - also zumindest nach Russland. Dahin soll der 56-Jährige, der seit über 30 Jahren für Opel arbeitet, verbannt, nein, versetzt werden, um vor Ort »verantwortungsvolle Aufgaben« zu übernehmen. Dabei hatte er doch noch so viel vor: In dem vor einem Monat vorgestellten Sanierungsplan war von 23 neuen Automodellen, sparsameren Motoren und Bundesliga-Sponsoring die Rede.

Bis ein weiterer Gladiator der Gewinnmaximierung zum Fraß vorgeworfen werden kann, verwaltet Imperator Stephen Girsky, amerikanischer Vize-Chef von GM, die Geschäfte kommissarisch. Girsky gilt als offener und ehrlicher Charakter, der vor zwei Monaten schon mal die Marschrichtung vorgab: »Wenn sie (Opel) jahrelang Verluste schreiben, die immer vom Konzern ausgeglichen werden müssen, dann halten sie es irgendwann für normal, Geld zu verlieren«. Es ist allen Beteiligten zu wünschen, dass schnell ein anderer Sanierungsfachmann gefunden wird.