Ein Dorf sucht den Milliardenschatz

Unter dem sächsischen Storkwitz wird ein großes Vorkommen an Seltenen Erden vermutet - man hofft auf den großen Boom

  • Heidrun Böger
  • Lesedauer: 5 Min.
Mehr nebenbei hatten Geologen in den 1970er Jahren bei Delitzsch in Sachsen ein Seltenerd-Vorkommen gefunden. Heute könnte die Lagerstätte vielleicht 1,5 Milliarden Euro wert sein. Die Probebohrungen laufen bereits.

Ungewöhnliches tut sich im Delitzscher Ortsteil Storkwitz, einem beschaulichen kleinen Ort im nordwestlichen Sachsen. Mitten auf dem Feld stehen Arbeiter auf einem eingezäunten Stück Land und bohren in die Tiefe. Bohrarbeiter Andreas Hofmann: »Wir kommen gut voran, sind schon bei 350 Metern.« Die Seltenerden Storkwitz AG, eine Tochter der Deutschen Rohstoff AG Heidelberg, will hier so genannte Seltenerdmetalle abbauen, das sind winzige Mengen von Elementen wie Lanthan, Praseodym oder Neodym. Gewinne mit den Hightech-Rohstoffen locken, sollte sich das Vorkommen lohnen.

Träume und auch Ängste

Storkwitz im Sommer. Im Garten am Ortseingang, der nur wenige hundert Meter vom Ortsausgang entfernt ist, bekämpft ein älterer Mann das wuchernde Unkraut. Sonst ist weit und breit niemand zu sehen. Direkt an der Bundesstraße 183a gibt es als einziges Gewerbe eine kleine Pension, die von Erwin Ceplevicius betrieben wird: »Zimmer frei, 13 Euro.«

Der Ort ist winzig, hat nur etwa 100 Einwohner. Es gibt ein Herrenhaus, das leer steht und schon bessere Zeiten gesehen hat. Schräg gegenüber vom Herrenhaus wohnt Vico Gohla. Der 36-Jährige kann den Bohrturm auf dem Feld sehen, wenn er aus seinem Fenster schaut. Was hält er von der ganzen Geschichte? »Ich lasse die Dinge auf mich zukommen, sehe das insgesamt aber positiv.«

Gohla, von Beruf Versicherungsmakler, ist in Storkwitz aufgewachsen und hat auf dem Grundstück seiner Eltern ein Haus gebaut. Seit März ist es nun vorbei mit der beschaulichen Ruhe in dem Ort, der zum nahen Delitzsch gehört. Je tiefer der Bohrer kommt, desto mehr Kraft muss die Maschine aufwenden. Es wird lauter. Gebohrt wird Tag und Nacht. Doch die Lkw, die auf der Bundesstraße durch den kleinen Ort rauschen, machen mehr Lärm. So jedenfalls sehen das die Storkwitzer, nicht nur Vico Gohla: »Und vielleicht kommt ja jetzt eine Umgehungsstraße?«

Es war vor anderthalb Jahren, als ein Nachbar mit einem Zeitungsausschnitt an Gohlas Tür klingelte. Da stand etwas von Seltenerd-Elementen, die hier vorkämmen, das habe die deutsch-sowjetische Wismut AG bereits in den 1970er Jahren mehr zufällig bei ihrer Suche nach Uran festgestellt. Die mögliche Menge wurde auf mindestens 38 000 Tonnen geschätzt, dazu kommen 8000 Tonnen vom Hightech-Metall Niob, das für den Bau von winzigen Kondensatoren und für den Korrosionsschutz von Stahl wichtig ist. Der Marktwert der Lagerstätte könnte heute schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro betragen.

Das war damals aus geologischer Sicht eine Sensation, dennoch interessierte sich niemand dafür. Doch die Situation hat sich geändert. Seltene Erdelemente, das ist eine Gruppe von 17 strategisch wichtigen Metallen, finden in Kleinstmengen zahlreiche Anwendungen, vor allem in Schlüsseltechnologien. Das Metall Europium wird in Röhren- und Plasmabildschirmen benötigt, Lanthan wiederum für Legierungen in Akkumulatoren, um nur zwei Beispiele zu nennen. China ist derzeit das Land mit den größten abbauwürdigen Vorkommen. 97 Prozent der Weltproduktion kommt von dort, wobei das Land den Verkauf in den Rest der Welt zunehmend einschränkt. Dem Quasi-Monopolisten würde die Seltenerden Storkwitz AG gern ein Schnippchen schlagen.

Das Vorkommen in Storkwitz ist wiederum das einzige bekannte in Mitteleuropa, 15 Seltenerdmetalle liegen hier in der Erde. Das Vorkommen beginnt in einer Tiefe von 200 Metern und ist einst bis zu einer Tiefe von etwa 700 Metern erkundet worden. Seit DDR-Zeiten sind sich die Geologen jedoch einig, dass die Lagerstätte zur Tiefe hin noch deutlich wachsen kann. Sollte sich der Abbau lohnen - was die Spezialisten der Seltenerden Storkwitz AG erst noch feststellen müssen - würde er unter Tage erfolgen. Allerdings müsste viel Gestein nach oben transportiert werden, die einzelnen Elemente kommen in den entsprechenden Mineralen nur in geringer Menge vor.

Großer Andrang herrschte bei einer Einwohnerversammlung im Februar, der Saal im Delitzscher Rathaus war brechend voll. Die Seltenerden Storkwitz AG stellte das Projekt vor. Vorstand Bernhard Giessel: »Sollte das Vorkommen abbauwürdig sein, worüber frühestens im Oktober erste Erkenntnisse vorliegen, würden wir ab dem Jahre 2018 etwa 20 Jahre lang abbauen.«

Natürlich gibt es bei den Anwohnern auch Ängste: Können giftige Chemikalien ins Grundwasser gelangen? Sind Erdrutsche möglich? Gehen die Grundstückspreise in den Keller? Gerade deshalb plädiert Manfred Wilde (49), der parteilose Oberbürgermeister von Delitzsch, für Transparenz. Er war es, der die Einwohnerversammlung im Februar anregte. Von Anfang an fand der OB, der sich als studierter Historiker beruflich mit der Bergbaugeschichte der Region beschäftigt hat, »das Thema spannend«.

Christa Voigt wäre 2018 schon über 70. Auch sie ist alteingesessene Storkwitzerin. Ihre GbR Milchgut Schenkenberg ist Pächterin des Feldes, auf dem die Probebohrungen laufen: »Ich finde, das ist eine gute Sache hier. Als das Unternehmen auf uns zukam, hatte ich nichts dagegen, zumal auch das Finanzielle stimmt.« Ihre Milchgut GbR bekommt eine Entschädigung für das Stück Gerstenfeld, das die Mähdrescher bei der Ernte nun umfahren müssen. Wie die anderen Storkwitzer auch verfolgt Christa Voigt mit Interesse und Neugier die Arbeiten auf dem Feld, geht immer mal wieder gucken.

200 Arbeitsplätze?

Die Hoffnungen, die sich mit dem Projekt verbinden, sind groß. OB Wilde: »Hier in der Gegend gibt es ja schon seit vielen Jahrzehnten Bergbau, als Region wollen wir am Wirtschaftskreislauf partizipieren.« Der Kommunalpolitiker macht auch gleich klar, woran er denkt: Die Seltenerdmetalle könnten im nahen Gewerbegebiet Delitzsch Südwest weiterverarbeitet werden. Noch sind nur drei, vier Arbeiter mit den Probebohrungen beschäftigt, doch perspektivisch könnten 100, 200 Arbeitsplätze entstehen und Steuern fließen. Zwar ist Wilde zufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung seiner Stadt, aber gegen (noch) mehr Aufschwung hätte er nichts einzuwenden.

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