Freispruch für Aktivisten in Spanien

Eltern und Anwälte üben Kritik an Willkür spanischer Behörden

  • Martin Dolzer
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei Deutsche, die in Spanien gegen die Räumung eines Stadtteilzentrums protestiert hatten, standen dort vor Gericht. Ihr Anwalt hält die Strafverfolgung für eine gezielte Kriminalisierung internationaler Solidarität.

Vor gut einem Monat fand in der baskischen Metropole Bilbao der Prozess gegen zwei deutsche Aktivisten statt. Jetzt bekamen Florian W. und Rafael H. das Urteil schriftlich zugestellt. Sie wurden frei gesprochen. Damit fand ein umstrittener Gerichtsprozess ein glückliches Ende. Die beiden jungen Männer waren in Bilbao nach der auf Betreiben eines Bauunternehmens durchgeführten Räumung des sozialen Zentrums Kukutza am 21. September 2011 von Zivilpolizisten festgenommen, brutal zusammengeschlagen und für neun Tage in Untersuchungshaft festgehalten worden. Im Kukutza hatten sich Menschen in einem Stadtteilrat demokratisch selbstorganisiert. Bei der Erstürmung des seit 13 Jahren besetzten Hauses hatten Polizeikräfte mehrere Menschen mit Gummigeschossen zum Teil schwer verletzt. Daraufhin kam es zu tagelangen Protesten. Den beiden deutschen Aktivisten wurde vorgeworfen, im Rahmen der Proteste Müllcontainer angezündet zu haben. Die Staatsanwaltschaft forderte dreieinhalb Jahre Haft.

Während der Gerichtsverhandlung kritisierten Demonstranten vor dem Gebäude die Vertreibungspolitik der Stadt und die Strafverfahren. »Ich finde es erschreckend, wie viele Widersprüche in der Verhandlung vom Verteidiger aufgedeckt wurden. Unsere Söhne waren lange, bange Monate der Willkür der Behörden ausgesetzt«, kommentierte die Mutter von Florian W., die gemeinsam mit anderen Angehörigen vor Ort war.

Der Anwalt der Aktivisten hält das Vorgehen gegen die beiden jungen Erwachsenen für eine »gezielte Kriminalisierung von internationaler Solidarität«. »Ihnen wurden Taten zugeschrieben, die aufgrund von belegbaren Tatsachen und Zeugenaussagen nicht begangen wurden«, betonte Carlos Alonso. So sagte ein Beamter der Stadtverwaltung vor Gericht aus, dass die Feuerwehr zur Zeit des Tatvorwurfs keine brennenden Container registriert hätte.

Auch der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) kritisierte den Prozess. So sei den Beschuldigten die Anklageschrift nicht übersetzt worden, was ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sei, erklärte der Bremer Anwalt Temba Hoch, der die Verhandlung für den RAV beobachtete.

Eine Beobachterin der Linkspartei übte ebenfalls Kritik: »Die Willkür der spanischen Behörden ist besorgniserregend. Polizeibeamte verstrickten sich bei ihren Aussagen immer wieder in Widersprüche. Der Konflikt um das Kukutza hätte in einem Dialog und nicht durch die brutale Räumung und juristische Verfolgung des Widerstands gelöst werden sollen«, erklärte die LINKE-Bundestagsabgeordnete Heidrun Dittrich. Die Auseinandersetzungen in Bilbao reihen sich für sie ein in die auch in anderen europäischen Metropolen zum Teil gewaltsam durchgesetzte Neuordnung der Städte zugunsten »kapitalistischer Verwertungslogik«. Den Freispruch wertet Dittrich als gutes Zeichen, das jedoch nicht das Ende der Auseinandersetzungen bedeute. Spanische Aktivisten müssen sich im September aufgrund ähnlicher Vorwürfe vor Gericht verantworten. Vor wenigen Tagen wurde ein weiteres Stadtteilzentrum in Bilbao geräumt.

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