Kriegsschiff gegen Fischerboot

Die »USNS Rappahannock« fühlte sich von einem indischen Kutter bedroht und schoss

  • Knut Mellenthin
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach den tödlichen Schüssen von einem US-Marineschiff auf ein indisches Motorboot hat Indien eine umfassende Untersuchung verlangt. Der indische Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten habe die Behörden des Landes um eine Untersuchung des Vorfalls gebeten, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in Delhi am Dienstag.
Ein indischer Fischer ist am Montag bei einem Zwischenfall mit einem Versorgungsschiff der US-Kriegsmarine im Persischen Golf getötet worden. Drei weitere Personen, die sich in dem etwa neun Meter langen Fischerboot befunden hatten, wurden verletzt. Besatzungsmitglieder der »Rappahannock« hatten das Feuer aus einem schweren Maschinengewehr eröffnet, nachdem sich das Boot angeblich in schneller Fahrt genähert und die Fischer mehrere Warnungen missachtet hätten.
Der Vorfall ereignete sich nach Angaben der für die Region zuständigen 5. US-Flotte etwa 16 Kilometer von der Küste entfernt in der Nähe von Dschebel Ali, das zu den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört. Kein Ort außerhalb der USA wird häufiger von amerikanischen Kriegsschiffen angefahren als der dortige Tiefseehafen, heißt es auf Webseiten der Navy. Er ist so ausgebaut, dass dort auch die größten Flugzeugträger anlegen können.
Die »Rappahannock« dient zum Auftanken von Kriegsschiffen auf See. Nach Angaben der Navy wird sie nur »in Kriegszeiten« mit Maschinengewehren ausgerüstet. Gegenüber dem katarischen TV-Sender Al-Dschasira teilte der Pressesprecher der 5. Flotte, Greg Raelson, mit: »US-Schiffe haben ein natürliches Recht auf Selbstverteidigung gegen potenzielle Bedrohungen. Die Sicherheit unserer Fahrzeuge und unseres Personals hat höchste Priorität.«
Indessen sucht man in den bisherigen offiziellen Stellungnahmen vergeblich nach einer Beschreibung des Ablaufs der Schiffsbegegnung und vor allem nach Aussagen über die Entfernung zwischen dem Fischerboot und der »Rappahannock«. Nur Al-Dschasira gab diese am Dienstag unter Berufung auf die Navy mit acht Kilometern an. Das wäre allerdings eine erstaunlich große Distanz und würde die amerikanische Reaktion in ein noch schlechteres Licht setzen. Im Januar 2008 hatten sich mehrere Schnellboote der iranischen Marine drei US-Kriegsschiffen in der Meerenge von Hormus angeblich bis auf 200 Meter genähert, ohne dass Waffen eingesetzt wurden.
Die Besatzungen US-amerikanischer Kriegsschiffe sind nervös, seit am 12. Oktober 2000 ein mit Sprengstoff beladenes Boot den Zerstörer »USS Cole« rammte, der im jemenitischen Hafen Aden lag. Durch die Explosion wurden 17 Angehörige der Navy getötet. Es gibt indessen kein international anerkanntes Recht, das es einem Kriegsschiff erlaubte, nach selbst definierten Regeln auf »potenziell bedrohliche« Boote zu schießen. Allerdings ist das Recht auf diesem Gebiet durch die Piratenbekämpfung am Horn von Afrika in einer ebenso undurchschaubaren wie bedenklichen Weise aufgeweicht.
In Indien stehen derzeit zwei italienische Marinesoldaten unter Mordanklage vor Gericht: Als Sicherheitspersonal eines Öltankers hatten sie im Februar zwei indische Fischer vor der Küste des Bundesstaates Kerala erschossen, die angeblich ebenfalls »Warnungen ignoriert« hatten.

Der bisher schwerste Zwischenfall dieser Art im Indik war der Abschuss eines iranischen Passagierflugzeugs durch das US-Kriegsschiff »Vincennes« am 3. Juli 1988 über dem Persischen Golf. Alle 290 Menschen an Bord, darunter 66 Kinder, kamen dabei ums Leben. Angeblich hatten die Amerikaner das Flugzeug mit einem F-14-Düsenjäger verwechselt, von denen die iranische Luftwaffe damals einige Exemplare besaß.

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