Werbung

Einsperren, um abzuschrecken

In Italien sitzen Tausende aufgegriffene Flüchtlinge in Internierungslagern fest

  • Matthias Heintze
  • Lesedauer: 3 Min.
Flüchtlinge, die es über das Mittelmeer nach Italien schaffen, sind noch lange nicht in Sicherheit. Werden sie entdeckt, landen sie in Internierungslagern wie dem von Milo auf Sizilien.
Warten auf ein Ende der Inhaftierung in Milo
Warten auf ein Ende der Inhaftierung in Milo

Keiner von ihnen hat ein Verbrechen begangen. Trotzdem hält die italienische Justiz über 180 Menschen im Internierungslager von Milo fest. Wer dort einsitzt und auf sein Schicksal aufmerksam machen will, hat dazu kaum Möglichkeiten. Immer wieder greifen die Gefangenen des Identifikations- und Abschiebezentrums (CIE) nahe der sizilianischen Stadt Trapani zu drastischen Mitteln: In einer konzertierten Aktion etwa trank ein Tunesier drei Flaschen Shampoo, einer schluckte ein Stück Glas und schnitt sich danach die Pulsadern auf, der dritte zerriss sein Bettlaken und versuchte sich zu erhängen.

Keiner von ihnen wurde in ein externes Krankenhaus gebracht, fand der italienische Blogger Gabriele del Grande heraus. Seitdem das Hochsicherheitslager vor genau einem Jahr eröffnet wurde, haben Journalisten und Anwälte Dutzende solcher Fälle in Milo dokumentiert. Dabei war das Lager angelegt worden, um bessere Standards gegenüber den alten Zentren in Süditalien zu schaffen.

Insgesamt 19 solcher Einrichtungen mit insgesamt 5000 Haftplätzen sind derzeit in Italien in Betrieb, hat das »Global Detention Project« recherchiert. Es ist der Versuch des italienischen Staates, die Migranten durch Abschreckung am Aufbruch zu hindern. Ebenso wie an vielen anderen Orten der EU-Außengrenzen müssen Papierlose in Italien mit monatelanger Haft rechnen. Oft werden sie direkt nach ihrer Ankunft eingesperrt, offiziell dient dies der Registrierung.

Wer aus einem Land stammt, in dem es nach Auffassung der italienischen Behörden keine politische Verfolgung gibt, hat praktisch keine Chance, für die Dauer eines Asylverfahrens in Freiheit zu gelangen. Andere werden nach dem Ende ihres legalen Aufenthalts verhaftet und müssen in den CIE auf ihre Abschiebung warten. »Mit der Haft und der Abschiebung werden wir doppelt bestraft«, sagte der Nordafrikaner Mohammed, der seit 1979 in Italien lebt, einem Reporter der Tageszeitung »Il Fatto«. Er hatte seinen Job in Italien verloren, daraufhin war seine Aufenthaltserlaubnis erloschen.

Die Lage in den italienischen Internierungslagern hatte sich verschärft, nachdem es auf Lampedusa im letzten September zu einer heftigen Revolte gekommen war. Damals waren rund 1300 Menschen in einem Auffanglager auf der Insel untergebracht. Die Gefangenen legten Feuer, mehrere Hundert flohen, das Lager wurde zerstört. Die Regierung nutzte den Vorfall, um Lampedusa zu einem »nicht sicheren Hafen« zu erklären - weil es keine Versorgungskapazitäten mehr gebe. Viele hielten dies für einen Trick: Die plausibel erscheinende Erklärung diene in Wahrheit dazu, jene als Schlepper zu kriminalisieren, die Schiffbrüchigen helfen. Das Seerecht verpflichtet zwar dazu, in Not Geratene an Land zu bringen, aber nur in einen »sicheren Hafen«.

Anfang Juli besuchte eine internationale Delegation des »Boats4People«-Bündnisses, das sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzt, das Lager. »Bis zu 25 Leute sitzen in einer Zelle«, sagt Riad Ben Ammar, Teilnehmer der Delegation. Die meisten seien Tunesier, dazu einige Iraker und Ägypter. »Die Stimmung ist sehr aggressiv. Die Häftlinge sagen, dass sie immer wieder geschlagen werden.« Auch aus anderen Lagern wird immer wieder von Misshandlungen durch die Wärter berichtet. »Die Leute wissen: Sie erwartet nur noch die Abschiebung.« Doch die kann dauern. Die tunesische Regierung kooperiert zwar in Sachen Migrationsabwehr mit Rom, aber den Rückführungen muss einzeln zugestimmt werden. So warten einige schon sieben Monate in Milo.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal