nd-aktuell.de / 01.08.2012 / Politik / Seite 7

Romney auf den Spuren des Reagan-Mythos

Polens Rechten sprach der Gast aus dem Herzen

Julian Bartosz, Wroclaw
Der republikanische Präsidentschaftsanwärter Mitt Romney war nach patzerreichen Auftritten in London und Jerusalem am Montag und Dienstag in Polen.

Altpräsident Lech Walesa hatte »den Mann mal prüfen« wollen und den Bewerber ums höchste Amt der USA deshalb eingeladen. Barack Obama, so klagte Walesa, habe ihn voriges Jahr während seines Polenbesuchs respektlos behandelt. Der »Bezwinger des Kommunismus« sei nicht zu einem persönlichen Gespräch, sondern lediglich zu einer Kundgebung mit Staatspräsident Bronislaw Komorowski geladen gewesen, und das war dem großen Elektriker zu wenig. Nun durfte er mit Romney eine ganze Stunde über die »globale Weltlage« und die Beziehungen zwischen Polen und den USA parlieren. Davor hatte der Gast im Rathaus zu Gdansk ein kurzes Treffen mit Premier Donald Tusk, das dem Vernehmen nach unter anderem die Beziehungen zur Ukraine und zu Russland betraf.

In Warschau traf Romney Staatspräsident Komorowski und Außenminister Radoslaw Sikorski. Vor Studenten referierte er über die »Bedeutung der Freiheit für die polnisch-amerikanischen Beziehungen«. Die Rede wurde von TVN live übertragen. Zwar war sie voller Allgemeinplätze, doch die Versicherung, dass Polen und die USA gemeinsam marschieren, stieß trotzdem auf Beifall. Bartosz Wisniewski vom Polnischen Institut für Internationale Beziehungen (PISM) sah den Präsidentschaftskandidaten auf den Spuren des Reagan-Mythos wandeln, den konservative Kreise in den USA gerade in Polen sehr lebendig wähnen.

Der Kandidat setzte sich in der Tat sowohl im Symbolischen als auch im Verbalen stark vom gegenwärtigen Chef des Weißen Hauses ab. In Gdansk besuchte er die Westerplatte, die Obama anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsausbruchs nicht aufgesucht hatte. Im Gespräch mit Komorowski lobte er Polens Einsatz in Irak und Afghanistan - und stellte den Unterschied zur derzeitigen USA-Regierung heraus, die über Polens Bündnistreue selten ein gutes Wort verliert. Ob Obamas »Neustart-Politik« gegenüber Russland - einschließlich des vorläufigen Verzichts auf den »Raketenschild« - gut sei, bezweifelte er.

In einem Fernsehkommentar hieß es, Romneys Ambitionen könnten als Rückkehr zum Kalten Krieg gedeutet werden. Das hinderte Polens eingeschworene Rechte nicht, ihm bei seinen Auftritten auf dem Langen Markt zu Gdansk und auf dem Campus vor der Warschauer Universitätsbibliothek zu applaudieren. Auch aus dem Regierungslager waren Stimmen zu hören, die es für eine Auszeichnung hielten, dass der Kandidat auf seiner Europatour Polen als wichtigsten Verbündeten der USA im mittelosteuropäischen besuchte.

Lech Walesa bekannte am Ende, Romney habe ihm sehr gefallen, denn der vertrete dieselben Werte wie er selbst. Zwar wolle er sich nicht in die US-amerikanische Wahlkampagne einmischen, aber er - Walesa - finde den Mann sehr sympathisch. Die USA müssten seiner Ansicht nach »mit Strukturen und Programmen« führend bleiben.