nd-aktuell.de / 04.08.2012 / Politik / Seite 16

Allesfressende Kampfflieger

Möwen als Touristenschreck an der Küste

Anette Pröber, dpa
Es ist Urlaubszeit: In Warnemünde wie auch an anderen Orten der Ostseeküste gehört ein Fischbrötchen oder ein leckeres Eis einfach dazu. Doch dann sind oft die Möven ein Problem.

Rostock. Aufgeregt diskutiert eine Gruppe Urlauber am Alten Strom von Warnemünde, wo sich Fischstand an Fischstand reiht und viele Gäste täglich die frische Ware aus dem Meer genießen. »Die Möwen werden immer dreister«, schimpfen sie. Ein zehnjähriges Mädchen weint. Gerade hat ihr eine Möwe das Eis aus der Hand geschlagen und sich in sicherer Entfernung darüber hergemacht. Der Schrecken ist der Familie aus Sachsen anzumerken.

»Ich dachte, Möwen sind nur auf Fisch aus«, meint der Vater. »Nein, sie fressen nahezu alles«, entgegnet einer der Händler und erinnert daran, dass Möwen gerne auch auf Mülldeponien speisen. Auch der Verkäufer ist verärgert, vertreiben die kreischenden Vögel doch so manchen Kunden.

»Erst trainieren Menschen den Vögeln diese Verhaltensweisen an und dann sind es die bösen Möwen«, setzt Ulf Bähker, Referent beim Naturschutzbund Mecklenburg-Vorpommern, dagegen. Wildtiere sollten grundsätzlich nicht gefüttert werden, betont er. In Warnemünde ist Möwenfüttern sogar ausdrücklich verboten.

Frank Vökler vom Vorstand der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV) rät zur Gelassenheit. Möwen seien nicht gefährlich, nur sehr schlau, wenn sie sich Nahrungsquellen erschließen. »Sie erkennen genau, wann sie bedroht werden. Und nur dann attackieren sie gefährlich«, meint er. Näherten sich Menschen den Brutstätten, die die Tiere in Dünen, auf Felsen oder auf Dächern anlegen, kann es schon passieren, dass sich eine gesamte Kolonie von Möwen über die Eindringlinge hermacht, um sie zu vertreiben.

Das Flair der Ostseeküste ist ohne die Flugkünste und das Geschrei der imposanten Vögel nicht denkbar, sagt der Geschäftsführer des Landestourismusverbands, Bernd Fischer. Das haben die Menschen schon 1918 in Wismar gesehen und die Möwen sogar in ihr Stadtwappen aufgenommen. Seit 1938 sind drei fliegende Möwen typisch für den Badeort Kühlungsborn.

Heute gehören die Möwen zu den Lieblings-Fotomotiven der Urlauber. Die Tiere hocken auf Pollern und Seebrücken oder folgen einem Fischkutter oder Ausflugsschiff. »Der Ärger mit Möwen ist an der Ostseeküste kein flächendeckendes Problem«, unterstreicht Fischer. Es gäbe nur wenige Orte, wo sich die Vögel von großen Menschenansammlungen angezogen fühlten.

In Mecklenburg-Vorpommern haben neben Warnemünde einzelne Kommunen wie Graal-Müritz und Boltenhagen untersagt, Möwen von der Seebrücke aus zu füttern. Sie wollen vor allem Verschmutzungen durch Kot verhindern.