Zeichen setzen

Sabina Grzimek stellt in Burg Friedland aus

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem beeindruckenden Engagement, vom Bürgermeister des Ortes über den Galerierat, das anspruchsvolle, eigenständige musikalische Programm bis zu den als »Galeriegehilfen« tätigen Kindern, ist die Turm-Galerie der Burg Friedland nach Renovierungsarbeiten wiedereröffnet worden. Und dass ausgerechnet die renommierte, in Berlin und Erkner lebende Bildhauerin, Grafikerin und Zeichnerin Sabina Grzimek zugesagt hatte, Kleinplastiken, plastische Porträts, Radierungen und farbstarke Aquarelle der letzten Jahre zu zeigen, zog schon zur Eröffnung Besucher von nah und fern an.

Sabina Grzimek verbindet in ihren Skulpturen archaisch verhaltene Strenge mit fragiler Poesie. »Festhalten: Berichten eines Vorganges - Zusammenhänge - Erzählendes, nur in einer Form, die nicht Natur ist, sondern Zeichen oder: Eindringen in die Natur - ohne Erzählung«, notierte sie schon vor längerer Zeit, und das ist eine Maxime ihres Schaffens bis heute geblieben.

Sie beobachtet den Menschen, wie er sich verhält und bewegt, und sie hat eine enorme Gabe, bestimmte Bewegungen gerade in jener Zehntelsekunde zu erfassen, die für ein Verhalten besonders charakteristisch sind. Stehen, Sitzen, Liegen, Ruhen - scheinbar kanonische Haltungen -, und doch haben sich die Figuren aus dem klassischen Koordinatensystem entfernt, sie kippen aus der traditionellen Raumvorstellung, und man kann mit einigermaßen Sicherheit der Künstlerin unterstellen: Auch sie geht partout falsch über die Kreuzung. Die ganz einfachen Körperbewegungen werden fast unerträglich deutlich, schmerzhaft genau, sie werden plastisch definiert. Die Raumpunkte werden exakt ausgelotet.

Ein Porträtkopf hat Ecken und Brüche, Rinnsale, ein psychisches Geäst von Flechten hat der Bronzefluss hinterlassen. Wenn eine Bildhauerin derart Ernst macht mit den Beziehungen, und das Gleichgewicht immer betont, indem sie es stört, dann mag es auch völlig gleichgültig sein, ob sie figurativ oder nonfigurativ arbeitet. Wichtig bleiben die Eckpunkte dieser betont figurativen Arbeiten, die den Raum negieren, indem sie stoßen, sich wenden, Schenkel anziehen, Beine überkreuzen, den Kopf in unbequeme Lage anheben, frierend stehen, mit dem Boden verwurzelt zu sein scheinen, pedantisch balancieren, den aufrechten Gang üben.

Spröde, ungelenke und doch zarte Kinderkörper, in stiller Nachdenklichkeit, Schutzbedürftigkeit, aber auch in trotzigem Selbstbewusstsein. Das Sitz- und Standmotiv der Knabenfiguren in festen horizontalen und vertikalen Körperachsen zu einer straffen, harten Tektonik verankert. Die Gesetze der Architektur beginnen hier mit den Volumen, Fläche, Raum und Raumhöhlen schaffenden plastischen Formen zu konkurrieren.

Gegenläufig zu der Betätigung, diese Haltungen und Verhaltensweisen kantig, abrupt, bruchstückhaft und doch sensibel verletzbar, durch versehrte und verzehrte Form zu fixieren, radiert und zeichnet die Bildhauerin Körper und Köpfe, geht sie dem Problem nach, wie sich der Raum zwischen den Körpern zu den Figuren verhält, spürt sie den Linien der Körper- und Porträtumrisse nach. Die Zeichnungen - sie sind sowohl stark farbig, aber die Konturen können auch bis zum völligen Verwischen aufgelöst sein, als sei über sie das Licht nur hinweggehuscht - sind Bekenntnisse zum Alltag und menschlichen Dasein. Völlig heiter ist diese Welt nie. Ihre Figuren und Gesichter geben Zeichen: Sie warnen, weisen auf Gegenwärtiges wie Künftiges, verkünden mitunter Bedrohliches - den Tod -, appellieren an unsere Verantwortung als Menschen.

Sabina Grzimek - Bozzetto & Radierung. Turm-Galerie der Burg Friedland (im Süden des Landkreises Oder-Spree), Mo-Do 10-17, Fr-So 10-18 Uhr, bis 9. September. Katalog.

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