Ins Unglaubliche getriebene Kunst

Graffiti, Breakdance und Co: Summer Jam im Yaam vereinte alle Disziplinen des Hip Hop

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein sonniger Samstagnachmittag in Berlin-Friedrichshain, viele Menschen sind auf den Straßen - und am Stralauer Platz scheint es, als ob die Überreste der Berliner Mauer neu gestaltet werden. Doch es sind die Außenmauern des Yaam, das direkt an die berühmten bemalten Mauerteile der East Side Gallery anschließt, die großflächig neu besprüht werden. Die von der Mauerbesichtigung kommenden Touristen haben sicherlich keine Mühe zu erkennen, dass hier eine Szene-Veranstaltung läuft: Junge Männer besprühen auf dem Gehweg Backsteinmauern, hinter denen ein lautes Rapkonzert ertönt, am Eingang zu dem Gelände stehen vorwiegend junge Menschen Schlange, vom gegenüberliegenden Ostbahnhof kommen ständig weitere hinzu.

Es ist die nun im siebten Jahr hintereinander stattfindende Graffitibox Summer Jam, die die Hip-Hop-Szene ins Yaam zieht, ein Gelände mit Diskothek, Sportmöglichkeiten und einem großen Sandstrand an der Spree. »Eine Jam ist eine Veranstaltung, die alle Disziplinen des Hip Hop vereint«, sagt Dennis Thimm, Chef des Organisationsteams. Solche Veranstaltungen, bei denen Rapmusik, Graffiti, Breakdance, Beatbox und Scratchen praktiziert werden, habe es in Berlin in den 1990ern zwar gegeben, sie seien aber ausgelaufen. Deshalb hatte Thimm die Idee, zur Fünfjahresfeier seines 2001 eröffneten Internetportals Graffitibox, das als Forum für Graffiti-Fotos aus ganz Europa diente, eine solche Jam zu veranstalten. Der Publikumszuspruch war groß und deshalb gab es seitdem jedes Jahr ein solches Fest. Dieses Mal erwartet Thimm wieder 5000 Menschen, darunter 450 Künstlerinnen und Künstler.

Schon am Nachmittag bestaunen Hunderte, wie Gruppen im akrobatischen Breakdance miteinander wetteifern. Am Strand treten 14 Leute an, um Berlins besten Beatboxer zu küren, der dann auch zur deutschen Meisterschaft fahren darf. Beatbox ist die oft genug ins Unglaubliche getriebene Kunst, mit oral und nasal erzeugten Geräuschen eine ganze Rhythmusgruppe zu ersetzen. Daneben stehen viele rund zwei Meter hohe Gitter, die Pressspannplatten für Graffiti tragen. Bisweilen macht sich wegen des vielen Gesprühes beißender Gestank breit.

Neben der Strandbar werden längliche Blöcke zum Ausmalen verkauft, die auf verschiedene europäische Städte bezogen sind. Sie enthalten Ansichten der öffentlichen Verkehrsmittel der jeweiligen Stadt. Dem berühmt-berüchtigten Graffiti-Sport, Tram- und U-Bahn-Züge großflächig vollzusprühen, kann so mit Stift und Papier gefrönt werden. Auf der anderen Seite des Strandes laufen Wettbewerbe in dieser und anderen gestalterischen Disziplinen.

Die Veranstaltung wird als »letzte Jam« beworben. Das meint Dennis Thimm in dreifacher Hinsicht: Zum einen sei es die letzte ihrer Art in der Region. Zum anderen ist das Yaam seit Jahren bedroht, da es als Teil des sogenannten Mediaspree-Gebietes Neubauten weichen soll. Nur die Wirtschaftskrise habe ein paar Jahre Aufschub gebracht, erklärt Thimm. »Wir kämpfen mit so einer Veranstaltung auch gegen die Vertreibung des Yaam«, sagt der Jam-Organisator. Der dritte Grund für die Bezeichnung als »letzte Jam«: Es gibt Überlegungen, die Veranstaltung zu einem zweitägigen Festival auszubauen.

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