Von den Massen getragen

Schweizerin Nicola Spirig gewinnt denkwürdiges Triathlonrennen im Hyde Park nach Zielfotoentscheid

  • Oliver Händler, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Hyde Park verwandelte sich am Sonnabend in ein Tollhaus. Auch beim Triathlon der Frauen gab es letztlich nur drei Medaillen zu verteilen. Am Ende waren aber Sieger und Verlierer vor allem begeistert von der Stimmung am Straßenrand.

»So etwas habe ich noch nie erlebt«, war der meist gewählte Satz des Tages. Tausende Zuschauer hatten beim Triathlon der Frauen den Hyde Park im Zentrum Londons quasi überrannt. In mehreren Reihen standen sie um den Serpentine Lake sowie an der Rad- und Laufstrecken und erlebten eines der spannendsten Rennens, das schließlich die Schweizerin Nicola Spirig gewann.

Nach 1,5 km Schwimmen, 43 km Radfahren und 10 km Laufen musste doch das Zielfoto zu Hilfe genommen werden, um zu zeigen, dass Spirig denkbar knapp vor der Schwedin Lisa Norden den Zielstrich überquert hatte. Es war das Ende eines denkwürdigen Rennens. »Das ist der beste Tag meines Lebens«, freute sich die 30-jährige Siegerin.

Schon um neun Uhr waren die 55 Starterinnen in den kalten Serpentine gesprungen. Zuvor war es kaum möglich gewesen, den Hyde Park zu betreten. Überall stauten sich die Zuschauer, die kostenlos an die Strecke kommen konnten, was sie massenhaft nutzten.

Schon frühzeitig setzten sich dann sieben Schwimmerinnen ab und holten einen Vorsprung von über einer Minute heraus. Doch schnell waren die Favoriten auf der Radstrecke wieder dran. »Ich habe sehr gekämpft beim Schwimmen«, sagte Spirig. »Es war eine Erleichterung, als ich aus dem Wasser kam und alle großen Namen um mich herum sah.«

Zu der Gruppe gehörten auch Svenja Bazlen (Freiburg) und die Neubrandenburgerin Anja Dittmer. Nach dem Radfahren lag Dittmer sogar vorn. »Der Wechsel war sensationell. Das kann ich sonst nicht so schnell«, sagte Dittmer. »Ich habe mich ganz schön erschrocken, als ich plötzlich Erste war.« Lange hielt das jedoch nicht an. So verlor auch die 36-Jährige, die als einzige Athletin jedes olympische Triathlonrennen der Geschichte bestritten hat, ebenso den Anschluss an die Spitze wie die anderen Deutschen Svenja Bazlen und Anne Haug.

»Ich bin schon ein bisschen älter. Leider habe ich in der letzten Runde Krämpfe bekommen und musste stehen bleiben, um meine Beine zu strecken. Bis dahin war ich sehr zufrieden mit meinem Rennen«, sagte Dittmer, für die es wohl der letzte Triathlon der Karriere war. »Man soll niemals nie sagen, aber ich denke, das war's«, sagte die Zwölftplatzierte.

Aufgrund Dittmers unfreiwilliger Pause wurde am Ende die Münchnerin Anne Haug als Elfte beste Deutsche. »Das war das Maximum, was ich in diesem Jahr erreichen konnte. Damit muss ich zufrieden sein«, meinte Haug, die begeistert war von der Atmosphäre an der Strecke. »Es war so laut. Ich habe meinen Trainer nicht gehört. Er musste mir die Rückstände auf einer Tafel aufmalen. Ich habe sogar ein paar deutsche Flaggen gesehen und versucht, die Stimmung irgendwie aufzusaugen.«

Auch die Bronzemedaillengewinnerin Erin Densham (Australien) wählte diese Taktik - nur eben etwas erfolgreicher. »Das war ein tolles Rennen. Die Zuschauer waren unglaublich, einfach ohrenbetäubend. Sie haben uns um die Runden getragen, und es war toll, dann vor ihnen auf dem Podium zu stehen«, sagte Densham.

Dass solch ein Rennen aber sehr hart sein kann, merkte die erst 20-jährige Lisa Perterer, die schnell zurückfiel. »Ich war von Anfang an in eine Schlägerei beim Schwimmen verwickelt«, berichtete die etwas enttäuschte Österreicherin. »Diese wahnsinnige Atmosphäre habe ich dann einfach genossen. Ich musste ja irgendetwas Positives aus dem Rennen ziehen.«

Leider wurden die britischen Fans nicht mit einer Medaille ihrer Landsfrau Helen Jenkins belohnt, die kurz vorm Ziel aus der Spitzengruppe fiel und Fünfte wurde. »Ich habe versucht, mich von den Menschen tragen zu lassen. Leider hat es nicht ganz geklappt«, sagte sie. Am Ende müssen eben doch die eigenen Beine schnell laufen.

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