Keine Medaillen, keine Konsequenzen

Historische Nullnummer der deutschen Schwimmer im Olympiapool

  • Thomas Lipinski und Tobias Küpper, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Keine Medaillen, kein funktionierendes Konzept, aber auch keine Konsequenzen: Nach der historischen Nullnummer der Schwimmer im Olympiapool haben die Verantwortlichen einen Offenbarungseid abgelegt, Rücktritte jedoch ausgeschlossen.

Der in die Kritik geratene Leistungssportdirektor Lutz Buschkow soll beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) im Amt bleiben. »Es geht nicht um die Personalie des Sportdirektors, definitiv nicht«, sagte DSV-Präsidentin Christa Thiel am Sonntag. Buschkow, seit vier Jahren im Amt, antwortete auf die Frage nach einem möglichen Rücktritt kurz und knapp: »Nein.«

Unter anderem hatte der ehemalige Bundestrainer Dirk Lange personelle Konsequenzen gefordert, nachdem die deutschen Schwimmer erstmals seit 1932 bei Olympischen Spielen ohne Medaille geblieben waren. »Es ist nicht das Versagen einer einzelnen Person, sondern vielmehr ein strukturelles Problem«, meinte Generalsekretär Jürgen Fornoff.

Auch Thiel, seit 2000 Präsidentin, wollte von persönlichen Konsequenzen nichts wissen. »Meine Verantwortlichkeit ist die des gesamten DSV, nicht nur der Beckenschwimmer«, sagte die 58-Jährige, die im November zur Wiederwahl antreten will. Die Bilanz ihrer Amtszeit: Nach fünf Medaillen 2004 und zwei 2008 holten die Schwimmer nun gar kein Edelmetall mehr.

Buschkow hatte zuvor in aller Ausführlichkeit den Untergang der Schwimmer um Britta Steffen und Paul Biedermann analysiert und dabei auch sich ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. »Wir haben in der Mehrzahl der Disziplinen den Anschluss an die Weltspitze verloren«, bilanzierte er und listete zahlreiche Mankos auf: »Keine stabile Wettkampfstruktur«, »zu viele Experimente«, »zu geringe Grundlagenausdauer«, fehlende »allgemeine athletische Voraussetzungen«, »keine psychische Wettkampfhärte«, »zu lange Erholungsphasen«.

Am Ende fasste Buschkow zusammen: »Wir haben den Steuerungsprozess nicht im Griff.« Er selbst wollte jedoch dafür die Verantwortung nicht übernehmen. Stattdessen rechnete er vor, dass sich die durchschnittliche Platzierung der deutschen Frauen im Vergleich zu 2008 in Peking von 21 auf 13,7 und bei den Männern von 25 auf 12,6 verbessert habe. Vor vier Jahren hatte Steffen mit ihrem Doppeltriumph über 50 und 100 m Freistil das Fiasko noch verhindert, diesmal blieb auch die Weltrekordlerin ohne Edelmetall.

Ein neuer Bundestrainer ist nach der Trennung von Lange im November noch nicht in Sicht. Die Bewerbungen lägen nicht »waschkorbweise« vor, sagte Thiel und fügte an: »Wir werden jetzt nicht wieder den nächsten Guru suchen.« Ins Gespräch hatte sich zuletzt erneut der Essener Stützpunkttrainer Henning Lambertz gebracht. »Es muss einer sein, der das kann«, sagte Buschkow nur.

Orientieren will sich der DSV in der Krise nun an Frankreich. Nicht zuletzt dank Jungstar Yannick Agnel brachten es die Nachbarn auf viermal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze und kletterten hinter den USA und China auf Platz drei in der Medaillenwertung der Schwimmer. Sie habe sich das französische Konzept geben lassen, so Thiel, wies allerdings auch gleich auf die Unterschiede hin: »Dort ist alles sehr zentralistisch, und der Staat gibt im Jahr sieben Millionen.« Der DSV muss für all seine Abteilungen mit der Hälfte auskommen.

Ob die finanziellen Mittel des Bundesinnenministeriums weiter in diesem Umfang fließen, ist nach der Pleite von London offen. Die Zielvereinbarung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund hatte sechs Medaillen vorgesehen. »In der Vergangenheit hieß es: schlechtes Ergebnis, weniger Geld«, sagte Fornoff, »aber das macht keinen Sinn.«

Die deutschen Schwimmer waren nur staunende Zuschauer, als die Konkurrenz um Rekord-Olympiasieger Michael Phelps und die neue Schwimmkönigin Missy Franklin (beide USA) neun Weltrekorde aufstellte. »Ich fand's echt geil, das anzugucken. Das ist für mich Gänsehaut«, sagte Steffen Deibler (Hamburg), mit Platz vier über 100 m Schmetterling neben Britta Steffen erfolgreichster Einzelstarter. Die Berlinerin, die zum Abschluss über 50 m um sieben Hundertstel ein bronzenes Happy End verpasst hatte, regte den Blick über den Tellerrand an: »In Amerika ist man ein Held, wenn man im Sport gut ist, dann kann man sich sein Studium damit finanzieren. Man sollte vielleicht mit den Experten die ganzen Systeme mal analysieren. Aber ich bin nur ein dummes Sportlerchen.«

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