Ärger in der CDU

Kritik am angeblichen Werteverfall der Partei erreicht die Bundeskanzlerin

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Soeben aus dem Sommerurlaub zurück, sieht sich Angela Merkel einem frostigen Empfang ausgerechnet in der eigenen Partei ausgesetzt.

Josef Schlarmann ist kein Freund der Kanzlerin, wie es scheint. Wiederholt wurde der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU mit kritischen Bemerkungen über seine Parteivorsitzende zitiert. Und jetzt setzt er einen drauf. Mit Angela Merkel werde die CDU bei der Bundestagswahl 2013 keinen Erfolg haben, sagte Schlarmann der »Leipziger Volkszeitung«. Eine Gewohnheit Merkels, die sonst in der Opposition für Verärgerung sorgt, findet offenbar auch in Merkels eigenen Reihen nicht nur Beifall: dass Entscheidungen der Bundesregierung in der Regel als alternativlos dargestellt werden. Grundsätzliche Debatten seien unmöglich geworden, Kritiker hätten keine Chance Gehör zu finden, beklagt Schlarmann.

Diplomatischer, aber kaum weniger deutlich äußerte sich der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach in der gleichen Zeitung. Er zeigt sich genervt darüber, dass jede kritische Bemerkung zur Politik der Partei als Kritik an ihrer Vorsitzenden dargestellt und abgebügelt werde. Bosbach versucht es gar mit einem Lob - Merkel sei »mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen das Beste, was uns passieren kann«. Wie Schlarmann kritisiert allerdings auch Bosbach, dass »zu viel einfach als alternativlos dargestellt« wird.

Und dann folgt Bosbachs grundsätzliche Kritik. Man müsse fragen dürfen, so Bosbach, »was unterscheidet uns noch vom politischen Gegner, wofür kämpfen wir, ohne dass das als Frontalangriff auf Angela Merkel abgebucht wird«. Der Innenpolitiker kann hier als Vertreter des »Berliner Kreises« verstanden werden, der sich im letzten Jahr gegründet hatte. Aus eben jenem Grund, der Kritik an der pragmatisch agierenden Kanzlerin, über der Tagespolitik die Werte, über der Pragmatik die Programmatik der Partei zu vergessen - die Haltelinien, wie man in der Linkspartei unter umgekehrtem Vorzeichen vielleicht sagen würde. Der Berliner Kreis hat angekündigt, der Öffentlichkeit in der nächsten Woche ein Manifest vorzustellen.

Schon zuvor waren immer wieder verärgerte Parteiprominente hörbar geworden. Das gegenwärtige Bild der CDU gefährde die Wahl durch konservative Stammwähler, stattdessen werde nur noch auf Wechselwähler geschielt. Im Hintergrund schwingt der Vorwurf einer »Sozialdemokratisierung« der Partei. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel hatte im Sommer letzten Jahres mit einer Rede vor der Seniorenunion für Aufsehen gesorgt, als er die CDU einzuschwören suchte - auf Werte wie die »Ablehnung aller Ideologien und aller totalitären Systeme«, die Bejahung des Rechtsstaats, den Willen zur Versöhnung und zu guter Nachbarschaft, die Friedensliebe und den »unbedingten Vorrang der Freiheitsrechte und Grundrechte der Menschen und ihrer Würde als Geschöpf Gottes«. Weniger abstrakt klingen die Vorwürfe, die in Merkels Euro-Krisenpolitik, in der Abschaffung der Wehrpflicht oder der Abkehr von der Atomenergie einen Verrat an ehernen Prinzipien der Konservativen sehen.

Dass solcher Unmut von jeder Kritik an der Chefin abstrahiert, ist allerdings eine Schutzbehauptung. Ob gewollt oder nicht, wird die Kritik am Kurs einer Partei immer als Kritik an deren Spitze verstanden werden. Und die Reaktionen aus Merkels Umfeld auf die jüngsten Beispiele zeigen, dass dies auch hier so ist. Er jedenfalls fühle sich von Angela »nicht unterdrückt«, ließ Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs die Kritiker wissen. Der anfängliche Zuspruch von Parteikollegen für den Berliner Kreis sank nach mehreren Missfallensäußerungen aus der CDU-Spitze erheblich, heißt es. Mancher Teilnehmer blieb danach weg.

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