Die Rückkehr der Preußensäulen

Truppendenkmal kommt an seinen ursprünglichen Platz auf Rügen zurück / Streit um Original oder Kopie

  • Martina Rathke, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. ließ ein 22 Meter hohes Denkmal mit Säulen aufstellen, um die Siege seiner Truppen zu rühmen. Lange wurde restauriert. Jetzt wird gestritten. Darf das Original der Witterung ausgesetzt werden?

Neukamp. Sie sollten einst vom Ruhme der preußischen Truppen künden, nun sind sie zum erbitterten Streitobjekt unter Fachleuten geworden - die Preußensäulen auf der Insel Rügen. Nach mehr als 20 Jahren kehrt das markante Denkmal aus dem 19. Jahrhundert wieder an seine alten Standorte in Neukamp und Groß Stresow an der Südküste Rügens zurück. In Neukamp ragt bereits die schlanke, 19 Meter hohe klassizistische Säule in den Himmel. In der kommenden Woche soll das 1854 von dem Bildhauer Wilhelm August Stürmer geschaffene Originalstandbild des Großen Kurfürsten per Kran auf das Kapitell gehievt werden.

Die Aufstellung des weit sichtbaren Denkmals ist das Ende einer langen und teuren Odyssee der Originale von Putbus nach Berlin und dem thüringischen Mühlhausen. Doch statt der erhofften Ruhe nimmt hinter den Kulissen ein heftiger Streit um den richtigen Umgang mit den Preußensäulen noch einmal rasant Fahrt auf. Denn mit der Aufstellung der Originale hat sich der Kreis von seiner ursprünglichen Idee verabschiedet, Kopien in die Landschaft und das echte Denkmal ins Museum zu stellen. »Wir wollen die Originale, denn sie sind das Authentische«, begründete Rügens Denkmalpfleger Markus Sommer-Scheffler das Umdenken.

Der 1991 mit der Anfertigung von Kopien beauftragte Berliner Steinmetz Carlo Wloch wirft dem Landkreis vor, für den schnellen Erfolg das Denkmal jetzt einer »Billigrestaurierung« geopfert zu haben. Wloch hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet - wegen angeblicher Verschwendung von Steuergeldern. Die beiden Säulen, die an zwei Seeanlandungen brandenburgischer und preußischer Truppen in den Jahren 1678 und 1715 erinnern, werden von Experten als Kulturgut ersten Ranges eingestuft. Architekt war August Friedrich Stüler (1800-1865) - nach Karl Friedrich Schinkel zweitwichtigster Baumeister des Klassizismus. Der Berliner Bildhauer Wilhelm Ludwig Stürmer schuf 1854 und 1855 die drei Meter hohen Standbilder auf den fragil wirkenden »Ehren- und Gedächtnissäulen«. Rostende Eisennadeln hatten dem Originalgranit der Säulentrommeln in den vergangenen 150 Jahren zugesetzt, Risse zogen sich durch den Stein. Deshalb wurden die Säulen 1991 demontiert. Mehr als 120 000 Euro wurden laut Wloch seitdem für diverse Vorarbeiten und Gutachten ausgegeben. Der Großteil des Geldes ging an den Restaurator selbst. Auf die Aufstellung der Kopie wartete Rügen allerdings vergebens.

Aus alt wird neu

Offenbar hat der Kreis nun die Geduld und das Vertrauen in Wloch verloren. »Wir haben inzwischen ausgewiesene Fachleute mit der Restaurierung der Originale beauftragt«, sagte der Rügener Denkmalpfleger Markus Sommer-Scheffler. Auch Kostengründe spielten eine Rolle bei der Entscheidung für die Originale, räumt der Denkmalpfleger ein. Rund 83 000 Euro, die eine Standbildkopie gekostet hätte, müssen nun erst mal nicht ausgegeben werden. Nach einer beschränkten Ausschreibung begannen das Ingenieurbüro Käpplein und die Denkmalpflege Mühlhausen Huschenbeth GmbH im März 2012 mit den Arbeiten.

In nur fünf Monaten berechneten die Firmen Statik sowie mögliche Windbelastung und restaurierten die Säulen. Eine Anfertigung von teuren Kopien - so das Ergebnis der Fachleute - sei nicht erforderlich. Die Säule in Neukamp wurde auf einen Mast aus korrosionsfreiem Stahl gesetzt. Dazu musste sie vollständig durchbohrt werden. »Das ist Stand der Technik«, sagt der Firmeninhaber des thüringischen Steinmetzbetriebes, Alban Huschenbeth. Steinmetz Carlo Wloch, der inzwischen wegen angeblich fachlicher Fehler beim Umgang mit den Säulen selbst in die Kritik des Kreises geraten ist, hat für den »Dönerspieß« nur beißenden Spott übrig.

Figur zum Abschrauben

Er fordert nun einen sofortigen Stopp der Aufbauarbeiten. »Das Denkmal als Original der Witterung auszusetzen, ist fahrlässig«, sagte Wloch. Die Sanierung sei nicht fachgemäß, eine Säulentrommel sei vorsätzlich zerstört und durch einen Nachbau - vermutlich aus chinesischem Billiggranit - ersetzt worden. Die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft begründet Wloch mit den bereits getätigten Ausgaben. »Die Gutachten der vergangenen 20 Jahre sind nutzlos, die Kopien werden nicht gebraucht.l«

Die Denkmalfirma Huschenbeth in Mühlhausen wies die Kritik zurück. »Wir haben die Säulentrommeln schonend gereinigt, händisch gebürstet und abgekärchert.« Der Granit stamme aus Bayern, sagt der Denkmalexperte. Huschenbeth, dessen Firma bereits am Frankfurter Römer oder dem bayerischen Schloss Nymphenburg tätig war, geht davon aus, dass das Denkmal »noch 50 Jahre sicher stehen« kann.

Ein Steingutachten hat Angaben des Landkreises inzwischen festgestellt, dass sich die Skulptur von Neukamp in einem für ihr Alter und die Wetterbelastungen »ausgezeichneten Zustand« befände. Trotzdem soll die Figur »reversibel« aufgestellt werden, damit sie bei Bedarf abgenommen und ersetzt werden könne.

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