nd-aktuell.de / 24.08.2012 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 17

Film ab für höhere Löhne

Gewerkschaften und Beschäftigte kämpfen gegen Ausbeutung durch die großen Kinoketten

Katharina Dockhorn
Die Deutschen gehen zu selten ins Kino - auch wegen hoher Preise. Unter der verfehlten Investitionspolitik der Kinoketten leiden die Beschäftigten.

Stundenlöhne von knapp vier Euro sind in Ostdeutschland keine Seltenheit. Aber auch im Westen der Republik werden in vielen Kinos Löhne gezahlt, die die Beschäftigten zwingen, zusätzliche Hartz-IV-Leistungen zu beantragen. In vielen Filmtheatern rumort es deshalb seit langem. In Osnabrück, Dortmund, Mainz, Hagen, Bamberg und anderen Städten streiken Beschäftigte der Cinestar-Gruppe seit Monaten; auch im Cinemaxx in Wandsbek kam es zum ersten Ausstand. Kommenden Sonntag wollen die Betroffenen im Herzen des deutschen Films gemeinsam auf ihre miserable Situation aufmerksam machen. Ver.di hat zu einer Protestkundgebung am Potsdamer Platz aufgerufen.

Kino, das war immer auch Idealismus und Liebhaberei. Reich konnten Filmvorführer, Kartenabreißer oder Popcornverkäufer nicht werden. Doch noch nie war die Bezahlung so schlecht wie heute. Auf dem Rücken der Mitarbeiter werden die Folgen des sogenannten Over-Screenings ausgetragen. In den 1990ern wurden im Glauben, dass die Deutschen ihren durchschnittlichen Kinobesuch mindestens verdoppeln, hunderte Multiplexe gebaut. Kosten spielten keine Rolle - die Mieten waren oft exorbitant teuer. Doch die Deutschen bleiben im Vergleich zu US-Amerikanern oder Franzosen Kinomuffel. Der Jahresumsatz stagnierte bei rund 800 Millionen Euro, er wächst nur durch die 3-D-Zuschläge seit 2009. Doch für die neue Technik musste zunächst investiert werden - mindestens 70 000 Euro für die einfache Digitalisierung einer Leinwand, rund 100 000 Euro für die Umrüstung auf 3-D.

Die Cinemaxx-Gruppe, die heute rund 1800 Beschäftigte in Deutschland hat, stand am Anfang des Jahrtausends kurz vor der Pleite. 2004 trat sie ebenso wie die damalige Ufa-Filmtheater AG aus dem vom Hauptverband Deutscher Filmtheater geschlossenen Flächentarifvertrag aus. Der sieht seit 2011 für KassiererInnen einen Mindeststundenlohn von 7,38 Euro vor, mit zwei Jahren Berufserfahrung sind es 7,61. Nicht üppig, aber von den Ketten wird oft weit weniger gezahlt. Löbliche Ausnahme ist derzeit UCI, hier bekommen Kassiererinnen seit Januar 8,93 bzw. 9,59 Euro.

Diese Dimensionen strebt ver.di auch bei Cinemaxx und Cinestar an, wobei die Verhandlungsstrategie unterschiedlich ist. Auf Grund der komplizierten Unternehmensstruktur der Cinestar-Gruppe wird für jedes Haus einzeln verhandelt, um Löhne wie in Dortmund, wo Kassiererinnen 6,30 bis 6,80 pro Stunde erhalten, zu erhöhen. Mit der Cinemaxx-Gruppe, die seit 2009 wieder schwarze Zahlen schreibt, verhandelt die Gewerkschaft über einen neuen Flächentarifvertrag. Bisher erhalten Kassiererinnen acht Euro. Ver.di fordert einen Euro mehr Stundenlohn rückwirkend zum 1. Januar sowie eine zehnprozentige Erhöhung ab 2013. Das letzte Arbeitgeberangebot lag bei einer Erhöhung von 0,25 Euro im Jahr 2012 sowie plus 1,7 Prozent im nächsten Jahr. »Wir haben uns den Forderungen von ver.di nicht verschlossen, als es der Unternehmensgruppe Mitte der 2000er Jahre wirtschaftlich nicht gut ging. In der Summe aller Leistungen haben wir seit 2007 mehr gezahlt als die Kinos, die den HDF-Tarifvertrag unterzeichnet hatten«, betont Cinemaxx-Pressesprecher Arne Schmidt.

»Auch jetzt haben wir ein faires Angebot unterbreitet, dar über dem HDF-Vertrag liegt. Wenn wir aber die Forderungen von ver.di erfüllen, wäre unsere Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Wir können nicht zwei Euro mehr für die Eintrittskarte verlangen als die Konkurrenz.« Dieses Problem ließe sich mit der Rückkehr der Kinos in die Tarifgemeinschaft des HDF leicht lösen, diese müsste dann kontrollieren, dass sich alle an die Vereinbarungen halten.

Schmidt betont, dass die Jobs bei Cinemaxx bei Studenten heiß begehrt wären. Ver.di hält dagegen, dass die Bezahlung so hoch sein müsse, dass Arbeitnehmer und ihre Familien davon leben können. Die Kinobranche hat sich gewandelt. Die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen Enthusiasten wie Regisseur Tom Tykwer (»Lola rennt«) für wenig Geld im Kino an der Ecke Filme vorführten, um sie selbst zu sehen. Multiplexe sind Wirtschaftsunternehmen.