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Sterbende gehören nicht in die Klinik

Verbände fordern eine bessere Betreuung von Schwerstkranken

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine menschenwürdige Betreuung schwerstkranker und sterbender Patienten ist nach Ansicht von palliativmedizinischen Verbänden noch immer nicht Standard.

Die schmerzmedizinische und psychosoziale Betreuung schwerstkranker Menschen ist nach wie vor ein Stiefkind des deutschen Pflegesystems. Zwar habe sich »in den vergangenen Jahren bei der Schaffung von ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen und auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Problems viel getan«, so die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes (DHPV), Birgit Weihrauch, am Dienstag in Berlin. Dennoch gebe es nach wie vor »erhebliche Defizite, besonders in den Regelversorgungsstrukturen in Krankenhäusern und Pflegeheimen«. Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) stellte der Verband auf einer Pressekonferenz einen Forderungskatalog vor.

Die DGP definiert »Palliativmedizin« als »die aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung«. Dabei gehe es nicht um die Verlängerung der Überlebenszeit um jeden Preis, sondern »um die Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbeschwerden, psychologische, soziale und spirituelle Probleme«. Im Mittelpunkt stünden die Lebensqualität, »also die Wünsche, Ziele und das Befinden des Patienten«.

Es fehlt an Personal und Ressourcen

Mangels entsprechend ausgebildeten Personals und auch fehlender materieller Ressourcen hat nur ein Bruchteil der derzeit 2,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen die Chance auf solch umfassende Betreuung. Nach Schätzung der beiden Verbände sterben in Deutschland jedes Jahr rund 600 000 Menschen, die eine palliativmedizinische Versorgung benötigt hätten. Statt in Pflegeeinrichtungen entsprechende Strukturen zu schaffen, würden viele Patienten bei akuter Verschlechterung des Gesundheitszustandes von den Heimen in Krankenhäuser quasi abgeschoben. Dabei haben diese erst recht kaum Möglichkeiten, eine würdevolle Betreuung bis hin zur Sterbebegleitung zu gewährleisten. Beim DHPV geht man davon aus, dass rund 70 Prozent der Krankenhauseinweisungen von Pflegepatienten unnötig wären, wenn die Einrichtungen auf die Bedürfnisse sterbender Menschen eingerichtet wären.

Wer Bedarf hat, muss auch die Leistung bekommen

Dass dies möglich ist, zeigen nicht nur die Hospizbewegung mit ihren zahlreichen stationären Einrichtungen, sondern auch Modellversuche zur Vernetzung von ambulanten palliativmedizinischen Diensten und Pflegeheimen. Doch für DGP-Präsidenten Friedemann Nauck, der auch die palliativmedizinische Abteilung an der Universität Göttingen leitet, reicht dies bei Weitem nicht aus: »Jeder, der einen entsprechenden Bedarf hat, muss diese Leistungen auch bekommenen«, verlangt Nauck.

Die Verbände fordern, dass in jedem Pflegeheim auf zehn Patienten mindestens eine Fachkraft eingesetzt werden muss. Zudem müssten palliativmedizinische Leistungen umfassender als bisher in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufgenommen werden. Dies würde nicht einmal Mehrkosten verursachen, betonte DGP-Vorstand Meike Schwermann. Die oft unnötigen Krankenhauseinweisungen würden wesentlich größere Summen verschlingen. Gefragt sei bei allen Beteiligten, besonders bei den Einrichtungs- und Kostenträgern des Pflegesystems, »in erster Linie mehr Kreativität«.

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