nd-aktuell.de / 30.08.2012 / Brandenburg / Seite 13

Deo für Abwasserkanäle

Menthol und Zitrus sollen Geruch verbessern

Anja Sokolow, dpa

Ohne Deos in den Abwasserkanälen würde es auf dem Gendarmenmarkt in Mitte, dem Winterfeldplatz in Schöneberg und an fast 100 anderen Berliner Orten mächtig nach faulen Eiern stinken. Der Gestank ist eine Folge des rückläufigen Wasserverbrauchs. Industrie und Haushalte sparen seit Jahren Wasser. »2011 wurde in ganz Berlin nur noch so viel Wasser verbraucht wie 1989 in West-Berlin«, berichtet der Sprecher der Wasserbetriebe, Stephan Natz. Auch Sanitärfirmen spüren die Folgen an verstopften Rohren. In Berlin animieren zudem die hohen Wasserpreise zum Sparen.

In etwa 200 Abwasserschächten der Hauptstadt kleben Deo-Matten. Sie duften nach Zitrus oder Menthol und sollen laut Natz bei starkem Gestank schnelle Abhilfe schaffen. Die Abwasserkanalisation macht dem Unternehmen die größten Sorgen: Je weniger durch die Leitungen fließt, desto langsamer wird das Abwasser transportiert. Da bleibt viel Zeit zum Faulen. Der entstehende Schwefelwasserstoff sorgt für den Gestank. Außerdem bildet sich Schwefelsäure, die die Kanalisation angreift. »In mehr als der Hälfte der Kanäle könnte das Wasser schneller fließen. Akute Probleme gibt es bei etwa 20 Prozent«, sagt Natz.

Um das saure Klima zu verhindern, durchspülen seine Kollegen die Rohre regelmäßig. Außerdem sollen Salze die Säurebildung verhindern. Auf etwa drei Millionen Euro im Jahr schätzt Natz die Zusatzkosten. In einer vor eineinhalb Jahren eröffneten Kanalforschungsanlage in Neukölln werde derzeit getestet, wie die Methoden noch optimiert werden können.

Auch die Klempner-Innung hat mit den Folgen der Sparsamkeit zu tun. »Seit den Wassereinsparbemühungen in den 1990er Jahren haben sich die Rohrverstopfungen verdoppelt. Rohrreiniger haben ordentlich zu tun«, sagt Sprecherin Stephanie Irrgang. Weil weniger Wasser durch die Rohre fließe, könnten Fäkalien und Papier nicht immer vollständig weggespült werden. Verstopfungen seien die Folge.

Wasser sparen müssen die Berliner eigentlich nicht. Das Grundwasser für die Trinkwassergewinnung ist im Überfluss da. Weil Haushalte und Industriebetriebe seit Jahren weniger verbrauchen, wird immer weniger Wasser gefördert. Dadurch steigt der Grundwasserpegel in der Stadt, die einst ein Sumpfgebiet war. In vielen Kellern der Hauptstadt macht sich das sehr deutlich bemerkbar.

Aus Sicht des Berliner Wassertischs sind die Probleme der Wasserbetriebe hausgemacht und die hohen Wasserpreise Schuld. Günstigere Wasserpreise könnten Abhilfe schaffen, sagt Sprecherin Ulrike Kölver. Das Bundeskartellamt hatte erst im April festgestellt, dass die Tarife »missbräuchlich überhöht« und das Unternehmen zu einer Senkung der verpflichtet.

Die Wasserpreise überraschen Berliner immer wieder. Den Ärger bekämen hin und wieder die Mitarbeiter in den Service-Abteilungen zu spüren, sagt Lutz Ackermann, Sprecher des Wohnungsunternehmens Degewo. Regelmäßige Wasserspar-Kampagnen und Gespräche sollen die Mieter vor teuren Überraschungen auf der Betriebskostenabrechnung bewahren. Besonders hoch sei der Wasserverbrauch in Teilen Kreuzbergs sowie im Brunnenviertel in Mitte. Die genauen Ursachen würden noch erkundet. Die Haushaltsgröße und besondere kulturelle Gewohnheiten zählten aber wahrscheinlich dazu.

Auch die Gesobau AG arbeite aus Sicht der Wasserbetriebe eher kontraproduktiv, sagt Sprecherin Kirsten Huthmann. Das Unternehmen versuche nämlich mit viel Aufklärung, den Wasserverbrauch der Mieter zu senken. So wolle das Unternehmen Betriebskosten senken. Dadurch seien die Wohnungen auch für potenzielle Mieter attraktiver.