nd-aktuell.de / 31.08.2012 / Politik / Seite 8

Parteien bei der Selbstzerfleischung

Rechte wie Linke hatten bei den Sommerunis in Frankreich mit Spannungen und Polemik zu kämpfen

Ralf Klingsieck, Paris
Die Sommeruniversitäten der französischen Parteien finden traditionell am letzten Augustwochenende in einem Ferienort an der Küste oder in den Bergen statt. In lockerer Atmosphäre will man sich auf die Schwerpunkte des bevorstehenden politischen Saisonauftakts einstimmen. In diesem Jahr waren die Zusammenkünfte durch Spannungen bestimmt.

Bei Frankreichs Sozialisten, die wie üblich im Küstenort La Rochelle zusammenkamen, haben die Parteivorsitzende Martine Aubry und Premierminister Jean-Marc Ayrault bei der Basis dafür geworben, Geduld zu haben und dem Reformkurs der Linksregierung zu vertrauen. In 100 Tagen könne man keine Wunder vollbringen, lautete ihre Botschaft, die sie den Umfrageergebnissen entgegenstellten, die einen rapiden Vertrauensverlust in die Politik von Präsident Hollande zeigen. Premier Ayrault verwarnte Kritiker vom linken Flügel, die vor einer Ratifizierung des EU-Fiskalpakts ein Referendum fordern und damit die Pläne der Linksregierung stören. Das Ratifizierungsgesetz soll dank der eigenen Stimmenmehrheit im Parlament mit wenig Diskussion durchgewunken werden.

Unzufriedenheit machte sich auch angesichts des Schleiers breit, der die Nachfolge von Martine Aubry an der Parteispitze umgibt. Darüber soll auf einem Parteitag Ende Oktober abgestimmt werden, doch wer kandidieren wird, ist offen. Fest steht, dass es nur eine Plattform geben wird, die von Aubry und Ayrault gemeinsam ausgearbeitet wurde und die das Regierungsprogramm aufgreift. Andere »Strömungen« wie in früheren Jahren soll es nicht geben. Auch soll im Voraus festgelegt werden, ob Jean-Christophe Cambadelis oder Harlem Desir als Nachfolger von Martine Aubry kandidieren. Über diesen Rückschritt der innerparteilichen Demokratie gab es auf der Sommeruni viele Unmutsäußerungen.

Auf der Sommeruni der Partei der Grünen in Poitiers ging es auch um den Fiskalpakt, den viele Mitglieder und Anhänger ablehnen und den die Parteiführung nur halbherzig mitträgt - der aber von Daniel Cohn-Bendit vehement verteidigt wurde. Dieses Thema ist ebenso ein Zankapfel in der Regierungskoalition wie die jüngsten Äußerungen der sozialistischen Minister Arnaud Montebourg und Manuel Valls zugunsten der Atomenergie, was Zweifel an Präsident Hollandes Bekenntnis zum »Einstieg in den Ausstieg aus der Kernkraft« aufkommen ließ. Generell müssen die Grünen feststellen, dass sie in der Koalition von den Sozialisten herablassend als »Juniorpartner« behandelt werden.

Auf der Sommeruni der rechten Einheitspartei UMP in Chateaurenard wurde ansatzweise die noch ausstehende selbstkritische Auseinandersetzung um die Gründe für das Scheitern bei den jüngsten Wahlen nachgeholt. Zentrale Frage dabei war, ob man sich zu sehr oder nicht genug den Positionen der rechtsextremen Front National (FN) angenähert hat, um deren Anhängern auf die eigene Seite zu ziehen. Zwar weisen die Spitzenpolitiker der UMP den Verdacht von sich, sie seien im Hinblick auf die Kommunal- und die Europawahlen 2014 auf örtlicher Ebene zu Bündnissen mit FN-Politikern bereit. Doch genau dafür wirbt nach wie vor der stramm rechte Flügel der UMP, der sich populistisch »Volkstümliche Rechte« nennt - und findet mit immer mehr Befürworter.

Die größten Auseinandersetzungen in der Partei gelten der Wahl des Parteivorsitzenden auf dem nächsten Parteitag im November. Der ehrgeizige Vorsitzende Jean-François Copé kämpft mit harten Bandagen gegen seinen in der breiten Öffentlichkeit ungleich beliebteren Kontrahenten, den Ex-Premier François Fillon. Beide kalkulieren, dass der Parteivorsitz eine günstige Ausgangsposition dafür bildet, bei der Präsidentschaftswahl 2017 als Kandidat aufgestellt zu werden. Beide berufen sich auf ihre Freundschaft zu Nicolas Sarkozy.

Doch dessen engste Mitstreiter haben kürzlich einen »Freundeskreis Nicolas Sarkozy« gegründet, der schon mehr als 3000 Mitglieder zählt und bereits heute dafür Stimmung macht, dass die Rechte 2017 erneut Nicolas Sarkozy als ihren Kandidaten ins Rennen schicken sollte.