nd-aktuell.de / 31.08.2012 / Kultur / Seite 4

Streitbar

Judith Butler / Die Philosophin erhält den Theodor-Adorno-Preis

Oliver Eberhardt

Die 56-jährige amerikanische Philosophieprofessorin Judith Butler soll am 11. September in der Frankfurter Paulskirche den Theodor-Adorno-Preis bekommen. Das findet der Zentralrat der Juden in Deutschland kritikwürdig. Butler hatte vor einigen Jahren in einer Diskussion nach einem Vortrag an der Universität Berkeley (USA) gesagt, Hamas (Palästina) und Hisbollah (Libanon) seien »Teil der globalen Linken« und »soziale Bewegungen«. Zudem unterstützt Butler Boykottaufrufe gegen Israel.

Die Professorin, die 1994 über den Begriff der Begierde promoviert hat, ist seit 1993 Professorin für Rhetorik in Berkeley; 1998 übernahm sie dort auch den Lehrstuhl für Vergleichende Literaturwissenschaft. Zudem hat sie Gastprofessuren in der Schweiz und in New York inne. In der Fachwelt hat sie sich vor allem einen Namen durch ihre Arbeiten über feministische Theorie gemacht. Ebenso machte Butler, die sich als Antiimperialistin bezeichnet, durch Kritik an der israelischen Politik von sich reden. Nach Angaben der praktizierenden Jüdin sei der Diskurs mit ihrem Rabbiner im Kindesalter prägend für ihre akademische Karriere gewesen.

Butler selbst erklärte, sie habe versucht, Hamas und Hisbollah in die politische Landschaft einzuordnen, sei aber gegen Gewalt. In der Online-Ausgabe der Hamburger »Zeit« wandte sie sich zudem gegen die Kritik als solche: Sie sei ein Versuch, jemanden mit einer kritischen Sichtweise zu dämonisieren. Es werde hier versucht, das Recht, für die Juden zu sprechen, zu »monopolisieren«.

In Israel wird der Protest des Zentralrats teils massiv kritisiert: Mehrere Kommentatoren werteten die Kritik als Versuch, die Deutungshoheit über den wissenschaftlichen Diskurs zu übernehmen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der 1969 in Frankfurt am Main gestorbene Philosoph Adorno selbst stets mit dem Zionismus gerungen habe: »Nach den Maßstäben des Zentralrates der Juden in Deutschland hätte Adorno wohl nie für den nach ihm benannten Preis nominiert werden dürfen«, fasste ein Kommentator im israelischen Armeeradio zusammen.