Aufgepasst: Richtig »riestern« und nichts verschenken

Die betriebliche Altersvorsorge (bAV)

  • Lesedauer: 4 Min.

»Die Rente« hat ihre eigene und lange Geschichte. Der Reichskanzler Otto von Bismarck gilt als einer der Väter der gesetzlichen Rentenversicherung: 1889 kann er sich im Reichstag mit dem »Gesetz zur Alters- und Invaliditätssicherung« knapp durchsetzen - mit 165 gegen 145 Stimmen.

Auf eine noch weit längere Tradition als die »Gesetzliche« blickt die betriebliche Altersvorsorge zurück. Viele Firmen richteten bereits Mitte des 19. Jahrhunderts Hilfs- und Unterstützungskassen ein - um Beschäftigte an den Betrieb zu binden.

Fünf Wege zur Auswahl

Heute haben alle rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in Deutschland das Recht auf Entgeltumwandlung zu Gunsten einer betrieblichen Altersvorsorge (bAV). »Die Rente« ist dadurch ein Pflichtthema für jeden Arbeitgeber und Arbeitnehmer geworden.

Fünf Wege stehen Firmen zur Auswahl: Einmal ist das die klassische Direktzusage, die auf einer Zweierbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht. Dagegen begründen Pensionskasse, Unterstützungskasse, Pensionszusage und Pensionsfonds eine Dreierbeziehung.

In der Praxis wird die betriebliche Altersvorsorge dann über einen externen Versorgungsträger abgewickelt. »Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Durchführungswegen«, so die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (ABA), »sind nicht arbeitsrechtlich, sondern betriebswirtschaftlich-steuerlich«. Über den Durchführungsweg entscheidet allein die Leitung des Unternehmens! Rat kann man sich holen von Innungen, Fachverbänden und Steuerberatern.

Über 15 Millionen nutzen bAV

In der Bundesrepublik lag die Entscheidung, ob ein Betrieb seinen Beschäftigten eine Altersvorsorge anbietet, lange allein beim Chef des Unternehmens. Das änderte sich erst durch die Rentenreform von 2002: Seither hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, Teile seines Gehalts in eine betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen - und zwar steuer- und abgabenfrei.

Die Betriebsrenten haben sich durch eine Vielzahl von tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen (wie etwa in den Branchen Elektro, Metall und Bau) zu einer starken zweiten Säule der Altersvorsorge ausgewachsen. Über 15 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte besitzen heute eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung, also fast jeder Zweite mit einem Vollarbeitsplatz. Das heißt aber auch: Mehr als jeder zweite Beschäftigte arbeitet ohne bAV.

Ohnehin scheint der anfänglich große Run vorbei zu sein. Betriebsräte klagen, dass vor allem Jugendliche und U-30-Jahrgänge das Thema Rente nur selten diskutieren. Viele Betriebe und Beschäftigte fühlen sich mangelhaft informiert. Hinzu kommt die massive Kritik an den Schwachstellen der »Riester-Rente«.

Betrieblich oder privat?

Grundsätzlich ist die betriebliche Altersvorsorge seit der Rentenreform 2002 der privaten gleichgestellt. Steuerermäßigungen und staatliche Zulagen gibt es für beide Varianten reichlich: Rund die Hälfte der Beiträge steuert der Staat bei. Beschäftigte können mit einer betrieblichen Altersvorsorge besser abschneiden, als wenn sie privat »riestern«.

Der Grund sind die niedrigeren Kosten für eine Gruppenversicherung. Arbeitgeber können zusätzliche Rabatte mit dem Finanzdienstleister aushandeln und diese an ihre Beschäftigten weiterreichen.

Trotzdem ist die Praxis bisher ernüchternd. Wer auf einen Teil seines Gehalts zugunsten einer Betriebsrente verzichtet, muss zwar weniger Steuern und Sozialabgaben zahlen, aber der Gehaltsverzicht hat zugleich Auswirkungen auf die gesetzliche Rente sowie auf die Höhe der Ansprüche auf Kranken- oder Arbeitslosengeld. Außerdem sind viele (fondsgebundene) Verträge riskant - besonderes für ältere Arbeitnehmer ab 50.

Läuft die Börse schlecht, steht es auch um deren bAV-Rendite übel. Das kann auch auf Klassik-Tarife zutreffen, die auf relativ sichere Geldanlagen wie beispielsweise Staatsanleihen setzen. Angesichts von Eurokrise und niedrigen Zinssätzen einerseits, hohen Verwaltungskosten sowie üppigen Provisionen für den Vertrieb andererseits, droht bei manchen Verträgen sogar ein Kapitalverlust, hat die Zeitschrift »Öko-Test« ermittelt. (Auf der Internetseite www.oekotest.de kann der Test kostenpflichtig heruntergeladen werden).

Arbeitgeber könnten in einem solchen Fall sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen, da laut Betriebsrentengesetz der Mitarbeiter für seinen Gehaltsverzicht eine »wertgleiche Versorgungszusage« bekommen muss.

Letztlich hängt das betriebliche »Riestern« vielfach von der Auswahl des richtigen Anbieters ab. Ohne unabhängige Beratung etwa durch geschulte Betriebsräte oder Verbraucherschützer ist der Dschungel der bAV jedoch kaum zu durchschauen.

Tipps nach »Öko-Test«

● Greifen Sie als Arbeitnehmer bei Angeboten zur Entgeltumwandlung nur zu, wenn der Betrieb einen kostengünstigen Kollektivtarif oder Ähnliches im Angebot hat.

● Macht der Betrieb kein entsprechendes Angebot, sollten ältere Arbeitnehmer über 50 auf jeden Fall die Finger von der Entgeltumwandlung lassen.

● Achten Sie als Arbeitgeber darauf, Ihr Haftungsrisiko zu minimieren. Für die Entgeltumwandlung kommen nur kostengünstige Kollektivtarife solventer Versorgungswerke infrage. Können Sie die Angebote nicht einschätzen oder vergleichen, verzichten Sie besser ganz darauf.

HERMANNUS PFEIFFER

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