nd-aktuell.de / 06.09.2012 / Politik / Seite 7

Terror-Führerin geistig verwirrt?

Kambodscha: Ieng Thiriths Freilassung sehr wahrscheinlich

Robert Luchs
Der Kreis der Angeklagten vor dem internationalen Völkermordtribunal in Kambodscha wird kleiner. Mehrere Monate wurde Ieng Thirith (80), frühere Sozialministerin unter dem Terrorregime Pol Pots, auf ihren Geisteszustand hin untersucht und medizinisch behandelt. Das Ergebnis der Mediziner: Thiriths Zustand hat sich erheblich verschlechtert.

Nach einer weiteren Anhörung werden Richter des Tribunals in Phnom Penh bald entscheiden, ob Ieng Thirith aus dem Prozess ausscheidet - was sehr wahrscheinlich ist - oder sich mit drei weiteren Anführern der Pol-Pot-Clique (1975 bis 1979) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord verantworten muss.

Auch Nuon Chea (85) soll auf seinen Geisteszustand untersucht werden. Als »Bruder Nr.2« neben Anführer Pol Pot gilt Nuon Chea als Chefideologe des Regimes, unter dessen Terrorherrschaft fast zwei Millionen Menschen ums Leben kamen.

Weitere Angeklagte sind der frühere Außenminister Ieng Sary (86), Ehemann von Thirith, und das Ex-Staatsoberhaupt Khieu Samphan (81). »Die Sorge ist, dass einer oder mehrere der Greise sterben, bevor es ein Urteil gibt«, sagt Prozessbeobachterin Clair Duffy von der Organisation Open Society Justice Initiative. Regime-Chef Pol Pot starb 1998 unter ungeklärten Umständen, ohne dass er sich einem ordentlichen Gerichtsverfahren unterziehen musste. Bislang wurde als einziger Verantwortlicher für die Gräueltaten Kaing Guek Eav alias »Kamerad Duch« verurteilt, der Chef des Foltergefängnisses S-21.

Ieng Thirith soll unter anderem für die Deportation von Hunderttausenden auf das Land sowie für sogenannte Umerziehungslager und Zwangsverheiratungen verantwortlich gewesen sein. Sie gehörte dem Zentralkomitee des Regimes an und war damit in einer der höchsten Führungspositionen. Thiriths Schwester Khieu Ponnary war mit Pol Pot verheiratet. Thirith studierte, wie andere Führer des Terrorregimes auch, an der Sorbonne in Paris.