Lobbyistin als Senatorin?

Interview mit Timo Lange von LobbyControl Berlin zur designierten Berliner Wirtschaftssenatorin

  • Lesedauer: 3 Min.
nd: Cornelia Yzer hat 2011 den Verband forschender Arzneimittelhersteller verlassen. Nun soll die ehemalige Cheflobbyistin der Pharmaindustrie neue Berliner Wirtschaftssenatorin werden. Einmal Lobbyistin, immer Lobbyistin?
Lange: Unserer Meinung nach muss schlichtweg mehr Zeit zwischen solchen Wechseln liegen, egal ob von der Politik in die Wirtschaft, insbesondere in Lobbytätigkeiten, oder in die andere Richtung.

Wie viel Zeit ist denn ausreichend?
Wir fordern schon lange eine gesetzliche Regelung, die vorschreibt, dass zwischen dem Austritt aus der Politik und dem Eintritt in die Wirtschaft mindestens drei Jahre vergehen müssen.
Bei einem entgegengesetzten Wechsel hängt das von der jeweiligen Person ab. Da ist es eine Abwägungsfrage, was im Einzelfall eine angemessene Zeit ist. Den Wechsel aus Lobbytätigkeiten in die politische Ämter hinein regeln zu wollen, ist schwer möglich und bringt weitere Probleme mit sich.

Zum Beispiel?
Zum einen fehlt uns in Deutschland eine rechtlich verankerte Definition davon, wer Lobbyist ist. Das ist etwa in den USA anders. Dort gibt es inzwischen die Regel, dass Lobbyisten zwei Jahre lang nicht mehr als Lobbyist tätig sein dürfen, um bestimmte Positionen in der Obama-Administration antreten zu können. Außerdem stellen sich verfassungsrechtliche Fragen.

Befürchten Sie Frau Yzer betreffend einen Interessenkonflikt?
Die Gefahr ist meiner Meinung nach gegeben. Frau Yzer hat nun mal sehr enge Kontakte in die Pharmaindustrie. Als Wirtschaftssenatorin wird sie mit ehemaligen Kollegen zusammen arbeiten: Das bietet Anlass zur Skepsis.

15 Jahre in der Pharmaindustrie – wer so lange in diesem Feld tätig war, bringt doch aber neben den alten Kontakten auch nützliches Fachwissen mit?
Sicherlich ist es von Vorteil, wenn sie Kompetenz mitbringt. Ob dieser Kompetenzvorteil jedoch den Nachteil möglicher Interessenkonflikte aufwiegt? Die Frage ist, ob es nicht ebenso kompetente Kandidatinnen gibt, die zuvor nicht als Cheflobbyistin einer der wichtigsten Industrieverbände tätig waren.

Lobbycontrol macht unter anderem auch Infoarbeit. Welche Rückmeldungen der Berlinerinnen und Berliner gibt es bisher zur Nominierung von Cornelia Yzer?
Die Berufung einer Cheflobbyistin sorgt bei den Bürgerinnen und Bürgern für Misstrauen. Die Leute nehmen an, dass nun vor allem Wirtschaftsinteressen vertreten werden – und nicht mehr die des Landes Berlin insgesamt und seiner Bewohner.
Ich würde mir wünschen, dass die Politik mehr Sensibilität an den Tag legt bei solchen Personalentscheidungen.

Seitenwechsel zwischen Wirtschaft und Politik sind doch aber durchaus üblich?
Ja, sind sie. Und oft genug liegen diese Wechsel zeitlich dicht beieinander. In Deutschland sehen wir vor allem bei dem Wechsel aus der Politik in Lobbyjobs Regelungsbedarf. Dieser Weg wird wesentlich häufiger eingeschlagen als der umgekehrte.

Fragen: Sarah Liebigt
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