Auguste Lazar

FRAUEN-GESCHICHTE(N)

  • Peter Fisch
  • Lesedauer: 2 Min.

Ich war elf Jahre alt und hatte mich gerade in die Bibliothek meiner Geburtsstadt eingeschrieben, da fiel mir ein Buch in die Hände, das mich nicht mehr losließ: »Jan auf der Zille«. Dem Genre nach war es eine Detektivgeschichte. Aber Jan handelte als »kleiner Genosse«, der - in einem Elbkahn (Zille) versteckt - antifaschistische Schriften über die Grenze von Böhmen nach Deutschland schmuggelte. Ein Kinderbuch über Faschismus und Widerstand. Die Ängste Jans, den Nazis in die Hände zu fallen, durchlitt ich mit.

Autorin des 1934/35 entstandenen und 1950 erstmals im Sachsenverlag Dresden erschienenen Buches war Auguste Lazar (Foto: Archiv). Am 12. September 1887 in Wien in einer wohlhabenden jüdischen Familie geboren, studierte sie Literaturwissenschaft, promovierte 1916 und arbeitete als Lehrerin, ehe sie ihrem Ehemann, dem Mathematikprofessor Karl Wieghardt, nach Dresden folgte. In den 20er Jahren schloss sie sich einem Kreis linker Intellektueller an, zu dem Eva und Victor Klemperer sowie Hans und Lea Grundig gehörten. Nach dem Tode ihres Mannes (1924) besuchte sie die Marxistische Arbeiterschule (MASCH). In der NS-Zeit beteiligte sie sich am Widerstand der KPD, ohne deren Mitglied zu sein, und gewährte Flüchtenden und Kurieren Unterkunft.

Mehrere Reisen unternahm sie zu ihrer Schwester Marie Lazar nach Dänemark, die auch schriftstellerisch tätig war (Pseydonym Esther Grenen). In ihrer Autobiografie »Arabesken« (1957) bekannte Auguste Lazar: »Ich wäre kaum imstande gewesen, es bis zum Jahre 1939 in Hitlerdeutschland auszuhalten, wenn ich nicht die Möglichkeit gehabt hätte, alljährlich wochen-, zuweilen monatelang in Dänemark aufzuatmen und ein freier Mensch sein zu dürfen.« Zwei ihrer Geschwister kamen im KZ um. Vergeblich versuchte Auguste Lazar, in der UdSSR Exil zu finden, obwohl ihr wohl bekanntestes Kinderbuch »Sally Bleistift in Amerika« dort 1935 erschienen war und große Beliebtheit erlangte. Geradezu in letzter Minute (ihr Reisepass war bereits abgelaufen) emigrierte sie im Mai 1939 nach England. Zehn Jahre später kehrte sie nach Dresden zurück. Hochgeehrt, u. a. mit dem Nationalpreis der DDR, verstarb sie am 7. April 1970.

Noch 1988 wurde »Jan auf der Zille« (mit Peter Sodann) von der DEFA verfilmt. Heute ist Auguste Lazar nahezu vergessen. Nicht aber in der verdienstvollen Wiener Forschungsstelle für »Kinder- und Jugendliteratur im Exil«.

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