Iberer auf den Barrikaden

Massenproteste gegen »Sparpakete« in Portugal und Spanien

  • Lesedauer: 3 Min.
Weit über eine Million Menschen haben am Wochenende in Portugal und Spanien gegen erdrückende Sozialkürzungen demonstriert. In Portugal forderten die Demonstranten am Sonnabend den Rücktritt der Mitte-Rechts-Regierung, in Spanien eine Volksabstimmung über die Sparpolitik.

Lissabon/Madrid (nd/Agenturen) Alleine in Portugal beteiligten sich nach Medienschätzungen mehr als eine Million Menschen an Kundgebungen in 40 Städten. Die Protestmärsche standen unter dem Motto »Zum Teufel mit der (Geldgeber-)Troika! Wir wollen unser Leben.« In Aveiro, 200 Kilometer nördlich von Lissabon, setzte sich ein Demonstrant in Brand. Er wurde dabei schwer verletzt.

Auslöser der Proteste in dem ärmsten Land Westeuropas, dessen Wirtschaft im Gefolge von Sparaktionen in diesem Jahr um weitere 3,3 Prozent schrumpfen wird, war die geplante Erhöhung der Sozialabgaben von 11 auf 18 Prozent für Arbeitnehmer. Gleichzeitig soll der Anteil der Arbeitgeber von 23,75 auf 18 Prozent sinken. Die Protestierenden hätten »Basta!« gesagt, schrieb die Zeitung »Público« am Sonntag. Teilnehmer einer drei Kilometer langen Marschkolonne bewarfen in Lissabon die Vertretung des Internationalen Währungsfonds mit Tomaten und Böllern. Noch bis nach Mitternacht protestierten viele vor dem Parlamentsgebäude.

Die oppositionelle Sozialistische Partei hatte der Regierung erst am Donnerstag ihre Unterstützung entzogen. PS-Chef António Seguro drohte mit einem Misstrauensantrag, falls es trotz 15,7 Prozent Arbeitslosigkeit beim Sparkurs bleibe. Oppositionspolitiker erklärten am Rande der Proteste, die Regierung müsse einen Rückzieher machen oder gehen. Selbst in der Koalition unter dem rechtsliberalen Sozialdemokraten Passos Coelho regte sich in den vergangenen Tagen Widerstand gegen die neuen Maßnahmen.

Im Nachbarland Spanien strömten nach Angaben der Veranstalter mehrere Hunderttausend Menschen zum »Marsch auf Madrid«. Die Regierung sprach dagegen von 65 000 Demonstranten.

Acht Demonstrationszüge mit Teilnehmern aus allen Regionen des Landes kamen auf dem Columbus-Platz in der spanischen Hauptstadt zusammen, um ihrem Ärger über die sozialen Einschnitte Luft zu machen. Unter den Teilnehmern waren Polizisten in blauen T-Shirts, Feuerwehrleute mit ihren roten Helmen, in Grün gekleidete Lehrer, Beschäftigte des Gesundheitswesens in Weiß, Beamte in Schwarz, Alte und Pflegebedürftige in Orange und Eltern mit Kinderwagen.

»Sie wollen unser Land ruinieren. Das müssen wir verhindern!«, war das Motto der Kundgebung, zu der rund 150 Organisationen aufgerufen hatten. Sie warfen dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy vor, durch »antisoziale und autoritäre« Maßnahmen alle Wahlversprechen zu brechen.

Rajoys Regierung will im Kampf gegen die Schuldenkrise bis Ende 2014 durch ein drastisches Kürzungsprogramm 102 Milliarden Euro einsparen. Vorgesehen sind unter anderem die Erhöhung der Mehrwertsteuer und Kürzungen beim Arbeitslosengeld - bei einer Arbeitslosenrate von derzeit 25 Prozent. Wirtschaftsminister Luis de Guindos sprach bei einem Treffen der Eurogruppe im zyprischen Nikosia von »absolut unumgänglichen Opfern« und kündigte sogar weitere Einschnitte für die nahe Zukunft an.

»Wir sagen der Regierung klipp und klar, dass wir nicht einverstanden sind, dass ihre Politik zu viel Schaden anrichtet, dass wir uns nicht fügen, weil es eine Lüge ist zu sagen, es gebe keinen anderen Ausweg«, sagte dagegen Ignacio Toxo, Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes CCOO auf der Madrider Kundgebung. Er warf der Regierung vor, den Wohlfahrtsstaat in Spanien vernichten zu wollen. Der Chef des Gewerkschaftsbundes UGT, Cándido Méndez, drohte mit einem neuen Generalstreik, falls die Regierung ihre Sparpolitik nicht korrigiere

In einem Manifest verlangten die Organisatoren der Kundgebung auch eine Volksabstimmung darüber, ob die Regierung Nothilfe für die gesamte spanische Wirtschaft beantragen soll. Griechenland, Irland und Portugal, die solche Nothilfe beantragt und erhalten haben, seien derzeit in einer schlimmeren Lage als vor ihrer Flucht unter den Euro-Rettungsschirm.


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